Süddeutsche Zeitung

Sommerzeit:"Es ist kompliziert": Warum die Uhren immer noch umgestellt werden

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In der Nacht zum Sonntag rückt der Uhrzeiger in der EU eine Stunde vor - dabei sollte die Zeitumstellung längst abgeschafft sein. Die Europaabgeordnete Anna Cavazzini erklärt, warum die europäischen Länder sich nicht darauf einigen können.

Interview von Karoline Meta Beisel, Brüssel

Eine Stunde weniger Schlaf, dafür abends eine Stunde mehr Tageslicht: In der Nacht zum Sonntag werden die Uhren eine Stunde vorgestellt. Eigentlich sollte die Zeitumstellung in diesem Jahr abgeschafft werden. So jedenfalls hatte es das Europäische Parlament 2019 nach einem entsprechenden Vorschlag des früheren Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker beschlossen. Damit das tatsächlich passieren kann, müssten sich aber auch die Mitgliedstaaten der EU darauf einigen. Anna Cavazzini (Grüne) ist Abgeordnete im Europaparlament und weiß als Vorsitzende des Binnenmarktausschusses, warum diese Einigung schwierig ist.

SZ: Frau Cavazzini, die Entscheidung des Parlaments, die Zeitumstellung abzuschaffen, ist jetzt mehr als zwei Jahre her. Woran hakt es?

Anna Cavazzini: An uns liegt es jedenfalls nicht. Im Parlament gab es eine deutliche Mehrheit, und bei einer Konsultation 2018 hat sich auch eine Mehrheit der befragten EU-Bürger dafür ausgesprochen, die Zeitumstellung abzuschaffen. Jetzt sind die Mitgliedstaaten der EU im Rat am Zug, und dort geht es nicht voran.

Wo liegt das Problem?

Zugegeben, die Sache ist nicht ganz einfach. Jeder Staat kann selbst entscheiden, welche Zeit bei ihm gelten soll. Wenn sich aber jedes EU-Land anders entscheidet, droht ein Flickenteppich. Die Länder sollten sich zumindest innerhalb einer Region auf eine gemeinsame Lösung verständigen, sonst gibt es totales Chaos bei Terminen, Reisen oder alltäglichen Sachen wie Fernsehübertragungen. Aber offenbar ist es schwieriger als gedacht, all das in der Praxis zu koordinieren. Manche Länder wollen die Sommerzeit abschaffen, andere nicht. Länder wie Griechenland zum Beispiel freuen sich, wenn es im Sommer abends länger hell ist, weil sie glauben, dass das dem Tourismus hilft. Es ist kompliziert.

Wie könnte eine Lösung ihrer Meinung nach aussehen?

Als ersten Schritt fände ich es gut, wenn die Kommission noch mal eine genaue Folgenabschätzung vorlegen würde. Das haben einige Mitgliedstaaten gefordert. So ein Gutachten könnte helfen, Bedenken entgegenzuwirken. Außerdem wäre es sicher nicht schlecht, wenn einige Mitgliedstaaten noch mal ihre Bevölkerung befragen. Die Konsultation der EU hatte 2018 ja einen gewissen deutschen Einschlag... Danach muss der Rat einen gangbaren Vorschlag vorlegen.

Von den 4,5 Millionen Menschen, die sich damals beteiligt haben, waren zwei Drittel Deutsche. Warum interessiert das Thema ausgerechnet bei uns so viele Menschen?

Das frage ich mich auch. In Deutschland gibt es eine große Community von Menschen, die sich sehr für Gesundheitsfragen engagiert. Ich vermute, dass bei denen das Thema eine große Rolle spielt. Wissenschaftliche Studien belegen, dass sich die Zeitumstellung negativ auf die Gesundheit auswirkt - die ursprünglich erhofften Energieeinsparungen dagegen sind verschwindend gering.

Trotz dieser Erkenntnisse tut sich seit Jahren nichts. Wäre es da nicht ehrlicher, das Projekt einfach zu begraben?

Ich habe noch nicht aufgegeben. Erst mal sollte die Kommission versuchen, skeptischen Mitgliedstaaten die Sorgen zu nehmen, mehr Argumente für die Abschaffung liefern und den Druck etwas erhöhen. Wenn man dann sieht, es geht wirklich nicht, kann man noch mal neu nachdenken. Aber jetzt ist es dafür noch zu früh.

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