Süddeutsche Zeitung

Wahl in Spanien:Warum alle über Vox reden

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Spaniens Rechtsextreme dürften geschwächt aus der Wahl kommen - und könnten trotzdem bald mitregieren.

Von Karin Janker, Madrid

Ob er immer noch optimistisch in diesen Wahltag gehe, wollte Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez am Sonntagmorgen bei seiner Stimmabgabe in Madrid nicht sagen. Er sei "guter Stimmung" sagte Sánchez und rief die Wähler zu einer "historischen" Wahlbeteiligung auf. Es sei ein wichtiger Tag nicht nur für Spanien, sondern auch für Europa und die Welt.

Wer wollte, konnte darin eine Anspielung erkennen auf den Rechtsruck, den Beobachter in Spanien, aber auch auf europäischer Ebene für das Land erwarteten. Laut den jüngsten Umfragen vor der Wahl konnte Sánchez nicht auf eine Wiederwahl hoffen. Fast allen Instituten zufolge sah es so aus, als wäre eine Koalition aus dem konservativen Partido Popular (PP) und der rechtsextremen Vox das wahrscheinlichste Szenario für eine mögliche Regierungsbildung.

Doch, ob PP-Chef Alberto Núñez Feijóo zu einem solchen Bündnis wirklich bereit wäre, war am Wahltag selbst noch eine offene Frage. Feijóo äußerte sich bei seiner Stimmgabe in Madrid nur so: Egal, wie es ausgeht, er werde weiterhin für sein Land arbeiten. Jenseits der beiden Männer, die sich um das Amt des spanischen Ministerpräsidenten beworben hatten, richteten sich die Augen an diesem Wahlsonntag also auf die rechtsextreme Partei, die mit dem linken Parteienbündnis Sumar um den dritten Platz konkurrierte.

Spanien war lange Vorreiter in Sachen Frauen- und LGBT-Rechte

Vox also, die Partei von Santiago Abascal, mag gemessen an den Wählerstimmen wohl nicht der Sieger dieser Wahl sein. Der Sieger in Sachen Aufmerksamkeit ist die Partei, die sich vor bald zehn Jahren als Abspaltung vom konservativen Partido Popular gegründet hat, aber allemal. Vom Rechtsruck in Spanien war viel die Rede in den vergangenen Wochen. Und das, obwohl zu erwarten war, dass Vox deutlich geschwächt aus dieser Wahl gehen würde. 52 Sitze hatten die Ultrarechten 2019 geholt, künftig dürften es deutlich weniger sein.

Im Vorfeld der Wahl war dennoch überall die Rede vom Rechtsruck, weil Vox nach dieser Wahl eben erstmals auf nationaler Ebene in Regierungsverantwortung kommen könnte. PP-Chef Feijóo wird entscheiden müssen, ob er künftig einen rechtsextremen Vizepräsidenten neben sich haben möchte. Eine Brandmauer nach rechts, wie sie in Deutschland gegenüber der AfD existiert, gibt es in Spanien nicht. Es gab sie nie, die Transición, der Übergang von der Franco-Diktatur in die Demokratie, sollte sanft verlaufen und allen politischen Kräften Einfluss sichern. So ist auch zu erklären, warum in Spanien nach wie vor eine Francisco-Franco-Stiftung an Leben und Werk des Diktators erinnert.

Feijóo würde, wenn er nach der Wahl mit Vox Gespräche über eine Koalition aufnimmt, aus Sicht vieler Spanier kein Sakrileg begehen. Für andere, vor allem für viele Frauen und Minderheiten, brächte eine Regierungsbeteiligung von Vox die Gefahr mit sich, dass ihre Rechte und ihre Sichtbarkeit in der spanischen Gesellschaft künftig eingeschränkt werden könnten. Spanien war lange Vorreiter in Sachen Frauen- und LGBT-Rechte in Europa. Diese Zeit könnte nun vorbei sein. Hinweise darauf gibt es in jenen spanischen Regionen, in denen Vox und PP bereits zusammen regieren.

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