Süddeutsche Zeitung

USA nach Sturm "Ian":Erbitterte Gegner, in der Katastrophe vereint

Lesezeit: 3 min

US-Präsident Joe Biden und Floridas Gouverneur Ron DeSantis, Anwärter auf die nächste Präsidentschaftskandidatur der Republikaner, gönnen sich nichts. Doch nach Sturm "Ian" stehen sie zusammen. Was das für den Wahlkampf bedeutet.

Von Peter Burghardt, Miami

Da standen sie also gemeinsam vor den Trümmern von Fort Myers, US-Präsident Joe Biden und Floridas Gouverneur Ron DeSantis. Sie lobten sich gegenseitig. Der Republikaner DeSantis durfte sich sogar das zum Besuch im Katastrophengebiet mitgebrachte Pult des Staatschefs ausleihen, als er sprach und sich der Demokrat Biden die Ärmel seines Hemdes hochkrempelte. Kleiner Test - um das Amt könnten sich die beiden ja möglicherweise 2024 streiten, aber nun dies: "Ich möchte mich bei Präsident Biden bedanken", sagte DeSantis am Mittwoch. "Wir wissen die Teamarbeit zu schätzen." Präsident Biden antwortete auf die Frage, wie er den Einsatz des Gouverneurs DeSantis bewerte: "Ich denke, er hat einen guten Job gemacht."

Solches Verständnis unter Rivalen mag nach Naturkatastrophen nicht ungewöhnlich sein, doch dies sind die USA, die zerstrittenen Staaten von Amerika vor den anstehenden Midterms, den Zwischenwahlen. Demokraten und Republikaner beschimpfen sich in der Regel, und meistens sieht es so aus, als lebten sie in grundverschiedenen Ländern. Das Wort "Teamarbeit" kam im gemeinsamen Wortschatz längst nicht mehr vor. In besonderer Abneigung verbunden waren sich bis zuletzt ebendieser demokratische Präsident Biden und der republikanische Gouverneur DeSantis.

Der Hardliner aus Florida ließ kürzlich Migranten nach Martha's Vineyard fliegen, in ein Biotop der Demokraten. Vor allem um Biden zu ärgern. Biden sei ein Kerl, der Florida einfach nur hasse, gab er bekannt. Biden erklärte im Frühling, dass dies nicht mehr die Republikanische Partei ihrer Väter sei, sie sei nicht mal mehr richtig konservativ, sondern "gemein und hässlich". Und jetzt auf einmal Zweisamkeit, weil ein Hurrikan namens Ian die Westküste des Sonnenstaates demoliert hat?

Ein paar Sticheleien gab es schon wieder im Krisengebiet

Sie hätten "sehr unterschiedliche politische Philosophien", untertrieb Biden vor dem Ortstermin. Im Umgang mit der Krise allerdings "haben wir völlig übereinstimmend gehandelt", was DeSantis bestätigt. Sie seien dabei, die bürokratischen Hürden zu überwinden, sagte der Gouverneur, "und zwar von der Lokalregierung über die Landesregierung bis hin zum Präsidenten". Ian, für diese Region ein Desaster mit mehr als 100 Toten und umfangreicher Zerstörung, bringt kurz zwei Gegenspieler der US-Politik zusammen.

Hier der verhältnismäßig junge DeSantis, 44, eine zumindest theoretische Alternative der Republikaner zu Donald Trump. Dort der nahezu doppelt so alte Biden, bald 80. Heute habe man einen einzigen Job zu tun, verkündete der Präsident, und der sei, dafür zu sorgen, dass die Leute in Florida bekämen, was sie brauchten. Er schwärmte von der "außergewöhnlichen Kooperation". Dies seien schließlich die Vereinigten Staaten von Amerika, mit Betonung auf "vereinigte". Die Finanzhilfe stockte der Mann aus dem Weißen Haus erheblich auf und verlängerte sie, ganz in DeSantis' Sinne.

Für einen der ständigen Harmoniebedürftigkeit unverdächtigen Aufsteiger wie diesen ist der einträchtige Moment nicht ohne Risiko, zumal er sich im November erst mal der Wiederwahl als Gouverneur stellt. Dem Kollegen Chris Christie hatte die Umarmung des damaligen Präsidenten Barack Obama 2012 nach dem Wirbelsturm Sandy in New Jersey erheblich geschadet. Auch macht DeSantis zusätzlich zum Wiederaufbau für viele nun wohnungslose Geschädigte das grundsätzliche Problem zu schaffen, dass seine beliebte Region eine der teuerste Gegenden der Nation ist - und Versicherungen Häuser wegen des Sturm- und Flutrisikos nicht mehr versichern wollen.

Andererseits konnte der gern laute Südstaatler zeigen, dass er auch leiser kann, irgendwie präsidentieller. Anders als Trump, der ebenfalls in Florida zu Hause ist. Umarmt wurde DeSantis außerdem nicht von Biden, sie gaben sich nur die Hand. Und das Ehepaar Biden hatte die Folgen von Ian vornehmlich vom Helikopter aus inspiziert, übermäßig willkommen sind die Bidens im stockkonservativen Südflorida nicht. DeSantis verwies darauf, dass aus einem Hubschrauber zwar Schäden zu sehen seien, aber so richtig halt nur am Boden, mittendrin. Der Präsident dagegen erläuterte, dass über den Klimawandel nicht mehr debattiert werden müsse, wohlwissend, dass der Gouverneur vom menschengemachten Klimawandel nicht so überzeugt ist.

Lange wird der Frieden kaum halten. Es werde noch viel Zeit geben, die Differenzen zwischen Präsident und Gouverneur zu diskutieren, verspricht die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre. "Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5669648
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.