Hurrikan "Ian":Ein Sturm, zu heftig für manche Versicherung

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Hurrikan "Ian" fielen in den USA mindestens 58 Menschen zum Opfer. Der schreckliche Sturm könnte auch einer der teuersten Fälle in der Geschichte der Versicherungsbranche werden.

Von Herbert Fromme und Friederike Krieger, Köln

Es ist eine schreckliche Bilanz, mal wieder. Mindestens 58 Menschen kamen allein in Florida als Folge des Wirbelsturms Ian ums Leben, der am vergangenen Donnerstag eine Schneise der Verwüstung hinterließ und für Sturmfluten und Starkregen sorgte. Die meisten der Opfer sind offenbar ertrunken. Ein älteres Paar starb zu Hause, weil die Beatmungsgeräte wegen des Stromausfalls nicht mehr funktionierten. Mindestens 750 000 Haushalte in den USA waren oder sind noch ohne Strom. Auf Kuba, dessen westliche Spitze am Mittwoch von dem Sturm getroffen wurde, fiel vorübergehend die Stromversorgung für alle 11,3 Millionen Einwohner aus.

Für die Versicherer und Rückversicherer bedeutet Ian: Sie müssen mit einem der schwersten Sturmschäden in der Geschichte der USA fertigwerden. Vergleichbar mit dem Desaster von Hurrikan Katrina im Sommer 2005, das für versicherte Schäden von damals 65 Milliarden Dollar sorgte, ein großer Teil davon durch die Überflutung der Stadt New Orleans. In heutigen Preisen wären das 89 Milliarden Dollar.

Ian könnte ähnlich teuer werden, glauben Spezialfirmen, die im Auftrag von Versicherern mögliche Folgen von Katastrophen und die tatsächlichen Schäden bewerten. Die Spannbreite der Schätzungen dieser Katastrophenmodellierer ist weit und reicht von zwölf Milliarden Dollar bis 80 Milliarden Dollar, letztere Zahl nennt das renommierte Analysehaus RMS.

Die jüngste Schätzung: weit mehr als 100 Milliarden Dollar Schaden

Die jüngste Schätzung kommt von Karen Clark & Company (KCC) und geht von 63 Milliarden Dollar aus, rechnet dabei aber Schäden an Booten und Schiffen sowie beim staatlichen Flut-Versicherungsprogramm nicht ein. "Der wirtschaftliche Gesamtschaden wird sich auf weit mehr als 100 Milliarden Dollar belaufen, einschließlich nicht versicherter Immobilien, Schäden an der Infrastruktur und sonstiger Aufräum- und Wiederherstellungskosten", teilte KCC mit.

Dass Wirbelstürme so hohe Schäden anrichten, hat einerseits mit ihrer zunehmenden Stärke zu tun, was nach Ansicht vieler Experten eine Folge des Klimawandels ist. Anderseits spielt die zunehmende Bebauung von stark sturmgefährdeten Grundstücken mit teuren Wohnhäusern und Hotels eine große Rolle.

Schon jetzt ist klar, dass es viel Streit darum geben wird, ob ein Schaden durch den Sturm oder durch Überflutung entstanden ist. Denn viele Liegenschaften sind gegen Sturmschäden versichert, jedoch nicht gegen Wasserschaden. US-Hausbesitzer sichern ihre Gebäude üblicherweise entweder über das staatliche Flutprogramm ab oder sie schützen ihre Immobilien gar nicht: nur zehn Prozent haben eine Police gegen Überflutung. Noch heute gibt es zahlreiche Gerichtsverfahren um Schäden durch den Hurrikan Irma, der 2017 in den USA wütete.

Manche Versicherer werden wohl Konkurs anmelden müssen

Auf jeden Fall wird Hurrikan Ian, der erst Florida und dann South Carolina heimgesucht hat, Versicherer und Rückversicherer weltweit viel kosten und schwerwiegende Folgen für die in Florida aktiven Versicherer haben. Der Rückversicherer Munich Re sieht sich zwar noch nicht in der Lage zu einer seriösen Schätzung, die Analysefirma Corelogic rechnet allerdings mit vielen Insolvenzen in der Branche. "Eine Rekordzahl von Häusern und Grundstücken ist aufgrund der intensiven und zerstörerischen Eigenschaften von Hurrikan Ian verloren gegangen", sagt etwa Corelogic-Analyst Tom Larsen. Seine Prognose: Der Sturm werde die Immobilienbranche und die städtische Infrastruktur für immer verändern. "Versicherer werden Konkurs anmelden, Hausbesitzer werden in Zahlungsverzug geraten und Versicherungsschutz wird in Regionen wie Florida schwerer zu bekommen sein."

Der Hurrikan trifft die Versicherer in Florida in einer ohnehin schwierigen Situation. Große US-Versicherer wie State Farm und Allstate haben nach hohen Schäden in den Vorjahren ihr Angebot für Gebäudebesitzer dort stark reduziert. Einige kleinere Gesellschaften mussten Insolvenz anmelden, andere erhöhten die Prämien stark und schränkten ihre Deckungen ein. Ian wird die Lage weiter verschärfen. Auch die Rückversicherer, die ihrerseits Versicherern Schutz gegen Katastrophen bieten, ziehen sich zurück.

Ein großer Teil des privaten Marktes für die Versicherung von Wohngebäuden wird von Anbietern dominiert, die ausschließlich in Florida aktiv sind und über entsprechend wenig Möglichkeiten zur Diversifizierung der Risiken verfügen. Sie leiden unter den Sturmschäden besonders stark. Zu den größten regionalen Anbietern zählt die Citizens Property Insurance Corporation. Rückversichert sind die lokalen Gesellschaften über den Florida Hurricane Catastrophe Fund, aber auch über private Anbieter, allen voran bei Gen Re, Lloyd's of London, Munich Re und Swiss Re, zeigt eine Analyse der Ratingagentur Moody's.

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