Süddeutsche Zeitung

Deutschland und die Ukraine:Fast alles wieder gut

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Die Führung in Kiew ist bemüht, den Streit mit Berlin endgültig abzuhaken. Doch ein Besuch des Kanzlers ist weiter nicht geplant - aus Angst vor Erwartungen, die er nicht erfüllen kann.

Von Daniel Brössler, Berlin

Gleich am Donnerstagmorgen setzte der ukrainische Außenminister den Ton, den er offenkundig entschlossen war, den ganzen Tag über durchzuhalten. "Ich möchte mich bei allen Deutschen bedanken für die Unterstützung für mein Land", sagte er im ARD-Frühstücksfernsehen. Dann ging er noch weiter: "Wir sehen, dass die Bundesrepublik momentan die Vorreiterrolle übernommen hat und so gut wie die erste Geige in Europa spielt. Dafür bedanken wir uns ganz herzlich." Man sehe "positive Veränderungen", etwa dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Bundesregierung ihre Haltung zu Waffenlieferungen verändert hätten.

Das Telefonat zwischen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und dem ukrainischen Staatsoberhaupt Wolodimir Selenskij hatte vergangene Woche die diplomatische Krise um die Ausladung Steinmeiers offiziell beendet. Der Kiew-Besuch von Außenministerin Annalena Baerbock hatte dies dann auch emotional dokumentiert. Nun sprechen die Worte Kulebas in Berlin dafür, wie sehr die ukrainische Führung bemüht ist, den Streit ad acta zu legen. Das gilt auch für ein Telefonat Selenskijs am Vortag mit dem Kanzler. Beide Seiten betonten am Mittwochabend, dass es sich um ein Gespräch im Rahmen der "regelmäßigen Kontakte" gehandelt habe. Business as usual also - soweit das in Zeiten des Krieges möglich ist.

Selenskij dankte Deutschland auf Twitter für die Unterstützung "in unserem Kampf". Zuvor hatte er Scholz einen Lagebericht übermittelt sowohl von der militärischen als auch von der diplomatischen Front. Gesprächskontakte zwischen der Ukraine und Russland gibt es derzeit so gut wie nicht. "Der Bundeskanzler betonte, dass Russland aufgerufen bleibe, die Kampfhandlungen in der Ukraine unmittelbar zu beenden, die Truppen aus der Ukraine zurückzuziehen und damit die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine wiederherzustellen", teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit.

Wie kann die Ukraine ihre Ernte ins Ausland transportieren?

Dahinter verbirgt sich die Frage, was Deutschland dazu beitragen kann. Sei es durch verstärkten Druck oder durch neue diplomatische Initiativen. Nach Angaben Selenskijs ist über neue Sanktionen gesprochen worden. Man habe sich "über ganz konkrete, praktische Möglichkeiten der weiteren Unterstützung der Ukraine ausgetauscht", erklärte Hebestreit. Ein Thema, das die Ukraine bewegt, ist wegen des von Russland blockierten Hafens Odessa die Suche nach alternativen Transportwegen für die Ernte. Ausbleibende Exporte aus der Ukraine haben die internationale Lebensmittelversorgung bereits deutlich beeinträchtigt und die Preise nach oben getrieben.

Kein Thema scheint hingegen ein baldiger Besuch den Kanzlers in Kiew zu sein. Für die nächsten Wochen gibt es jedenfalls keine solchen Pläne im Kanzleramt. Befürchtet wird dort, dass ein solcher Besuch von Erwartungen begleitet werden würde, die der Kanzler nicht erfüllen will oder kann. Das gilt für die Lieferung von schweren Waffen über die zugesagten sieben Panzerhaubitzen 2000 und 50 noch aufzubereitenden Gepard-Panzer hinaus. Eher gedämpft ist auch die Unterstützung des Kanzlers für einen möglichst raschen Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union, was Kuleba in Berlin zu ändern suchte.

"Die Europäische Union braucht die Ukraine genauso sehr, wie die Ukraine die Europäische Union braucht", sagte Kuleba nach einem Treffen mit SPD-Chef Lars Klingbeil und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Der EU-Kandidatenstatus sei das wichtigste Thema für die Ukraine. Der Außenminister setzte aber auch bei der SPD auf Versöhnung. Hinter der Ausladung Steinmeiers war der Ärger über die Russland-Politik des früheren sozialdemokratischen Außenministers und die Tatsache vermutet worden, dass er sich noch als Bundespräsident für die Gas-Pipeline Nord Stream 2 eingesetzt hatte. "Die Vorkriegsgeschichte in den deutsch-russischen Beziehungen und die Rolle der Sozialdemokraten dabei ist etwas, das nun Geschichte ist", sagte Kuleba.

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