Süddeutsche Zeitung

Präsidentschaftswahl in Südkorea:Die Rache des Staatsanwalts

Lesezeit: 3 min

Der Konservative Yoon Suk-yeol gewinnt mit knappem Vorsprung gegen den Kandidaten der Regierung. Als neuer Präsident wird er die Sicherheitspolitik in Ostasien verändern.

Von Thomas Hahn, Seoul

Nach dem Sieg verwandelte sich Yoon Suk-yeol, der Präsidentschaftskandidat der konservativen People Power Party (PPP) Südkoreas. Aus dem keifenden Wahlkämpfer, der er in den Monaten zuvor war, ist ein Staatsmann geworden, der nicht mehr streiten will. Der frühere Generalstaatsanwalt Yoon, 61, musste lange warten, ehe er Gewissheit hatte im Kopf-an-Kopf-Rennen gegen Lee Jae-myung, 57, Ex-Gouverneur der Provinz Gyeonggi von der regierenden Demokratischen Partei (DP). Nach dem Wahlmittwoch stand erst am frühen Donnerstagmorgen fest, dass Yoon mit 48,56 zu 47,83 Prozent der Stimmen gewonnen hatte und von Mai an als Nachfolger des DP-Mannes Moon Jae-in für fünf Jahre die zehntgrößte Volkswirtschaft der Welt führen darf.

Wie ein Fußballtorschütze warf Yoon Jubelfäuste in die Luft. Aber in seiner Siegesrede sagte er: "Ich werde die nationale Einheit als meine erste Priorität sehen." Der DP rief er zu: "Wir müssen zusammenarbeiten."

Eine Präsidentschaftswahl der Superlative ist zu Ende, die Südkoreas Sicherheitspolitik verändern wird und die tiefe Spaltung im Land gezeigt hat. Beobachter haben sie als die hässlichste Wahl seit Einführung der Demokratie in Südkorea 1987 beschrieben, weil Yoon und Lee sich fast nur mit gegenseitigen Anklagen bekämpften. Und das Ergebnis ist das knappste in Südkoreas Geschichte, bei einer Wahlbeteiligung von 77,1 Prozent. Einheit tut also tatsächlich not, und es wird eine Herausforderung für Yoon, diese herzustellen. Denn vorerst wirkt er wie die Symbolfigur der Spaltung, die in Südkorea nicht nur zwischen links und rechts verläuft, sondern auch zwischen Jung und Alt, Frauen und Männern.

Yoons politische Karriere begann erst vergangenes Jahr, und zwar mit der Wut auf die DP-Regierung. Moon Jae-in hatte Yoon 2019 zum Generalstaatsanwalt befördert, nachdem dieser in den Jahren zuvor als hartnäckiger Korruptionsbekämpfer bei konservativen Regierungen angeeckt war. Er leitete die Ermittlungen gegen Moons Vorgängerin Park Geun-hye, die zu deren Amtsenthebung führten. Yoon schien also der richtige Mann für Moon zu sein.

Kein Präsident der Zukunftsthemen

Aber dann ermittelte Yoon gegen Moons damaligen Justizminister Cho Kuk. Cho arbeitete an einer Justizreform, die Korruption unter Staatsanwälten eindämmen sollte und die Yoon nicht wollte. Cho ging, die Reform kam trotzdem. Im März 2021 trat Yoon deshalb als Generalstaatsanwalt zurück und sagte: "Die verfassungsmäßigen Werte und die Rechtsstaatlichkeit, die dieses Land großgemacht haben, werden zerstört." Er war sehr zornig. Der Wahlsieg ist sozusagen seine Rache.

Yoon ist kein Kandidat für Zukunftsthemen wie Energiewende oder Klimaschutz. Den geplanten Offshore-Windpark in Ulsan kritisierte er zum Beispiel als Teil einer "DP-Doktrin". Und weil seine Wahlkampagne auch darauf ausgerichtet war, jungen Männern zu gefallen, die sich durch die "Me-too"-Bewegung und die Gleichstellungspolitik bedroht sehen, hat er die Kluft zwischen den Geschlechtern vertieft. Nach den Eindrücken aus dem Wahlkampf ist Yoon ein rechter Populist, der an die einfachen Gesetze des Marktes glaubt - und vor allem an sich selbst.

Yoon stammt aus einem Seouler Akademiker-Haushalt. Sein Vater war Professor für angewandte Statistik und laut Yoon seine Inspiration. Mehrmals fiel Yoon Suk-yeol an der Seoul National University durch das Jura-Staatsexamen. Nie habe der Vater ihm das vorgehalten. Durch diesen habe er ein Interesse für Wirtschaft und Ungleichheit entwickelt. Die Korea Times zitiert Yoon mit der Selbsteinschätzung: "Ich bin im Grunde ein Libertärer, ich mag liberale Dinge."

Als Präsident nährt er nun die Hoffnung auf eine handwerklich bessere Wirtschaftspolitik, nachdem die Versuche der Moon-Regierung gegen soziale Ungleichheit und explodierte Immobilienpreise erfolglos waren. Und im Ausland hoffen viele auf klarere Positionen aus Seoul im Konflikt mit China und Nordkorea. Moons Annäherungspolitik, der Yoons Gegenkandidat Lee Jae-myung folgen wollte, war nur kurz erfolgreich. Das Verhältnis zu Japan ist historisch schlecht, weil die Moon-Regierung Konflikte aus der Kolonialzeit zum Thema machte und mit Nordkorea dealte. Und mit Südkoreas wichtigstem Handelspartner China wollte sie es sich auch nicht verscherzen.

Yoon ist da anders, und er fühlt sich bestärkt durch den Angriff Russlands auf die Ukraine. Die Nähe zu den USA steht für ihn über allem. Er will auch keinen Streit mit dem US-Partner Japan. China findet er nicht so wichtig, und seine Nordkorea-Politik hat er mit dem Motto "Frieden durch Stärke" beschrieben. Für Yoon kann es keine Lockerung der UN-Sanktionen geben, bevor Nordkorea nicht seine Atomraketen abgibt. Bis dahin empfiehlt er eine zusätzliche Batterie des US-Raketenabwehrsystems THAAD und die Möglichkeit eines Präventivschlags, wenn Nordkorea eine Angriffsposition bezieht. In Japan kam das gut an. Premier Fumio Kishida sagte: "Ich beabsichtige, eng mit dem neuen Präsidenten zusammenzuarbeiten."

Wie China eine THAAD-Stationierung in Südkorea findet, hat Seoul 2016 erlebt. Der Wirtschaftsboykott kostete damals viel Geld. Und ob die Abschreckung im Stile Yoons wirklich dem Frieden dient? Auf jeden Fall verändert Yoons Wahl die Stimmung in Ostasien. Und in Südkorea sowieso, wobei Yoon Suk-yeol sich tatsächlich erst mal mit der Demokratischen Partei verständigen muss. Die DP hat nämlich seit den Parlamentswahlen 2020 eine starke Mehrheit in der Nationalversammlung. Wenn die ihm nicht folgen will, hat der neue Präsident ein Problem.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5544735
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.