Süddeutsche Zeitung

Bundespräsident:Eine Rede, auf die viele warten

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Frank-Walter Steinmeier will über die Konsequenzen aus Krieg und Klimawandel sprechen. Er hat schon viele Reden gehalten, in Erinnerung geblieben ist wenig. Das soll diesmal anders sein.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es hat lange gedauert, aber jetzt ist es so weit. An diesem Freitag will Frank-Walter Steinmeier seine große Rede an die Nation halten. Um elf Uhr soll es im Schloss Bellevue losgehen. Im Publikum werden nicht nur Politiker aller Couleur - von Ricarda Lang bis Friedrich Merz - sitzen, sondern auch viele "normale" Bürgerinnen und Bürger. "Alles stärken, was uns verbindet" wird das Motto der Rede sein, so viel weiß man schon.

Der Bundespräsident will vor allem zwei Themen ansprechen: Russlands Krieg gegen die Ukraine und den Klimawandel. Er will darüber reden, was die Konsequenzen daraus für die Gesellschaft hierzulande sein sollten. Und er will Zuversicht geben. Die ARD wird für die Steinmeier-Rede ihr eigentlich vorgesehenes Programm unterbrechen, auch andere Sender planen Sondersendungen. Die Fallhöhe für den Bundespräsidenten wird also hoch sein: Kann er die Erwartungen erfüllen, die er geweckt hat?

Steinmeier hat als Bundespräsident bereits eine gewaltige Zahl an Reden gehalten, allein in seiner ersten Amtszeit waren es gut 650. Doch in Erinnerung geblieben ist kaum eine davon. Eindrucksvolle Auftritte wie der bei seiner Wiederwahl im Februar, der zu 100 Jahren deutsche Republik oder die in Yad Vashem und im Bundestag zum 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz blieben die Ausnahme. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Joachim Gauck läuft Steinmeier bisher nicht Gefahr, für seine Redekunst gefeiert zu werden.

Seit Mai spricht er bereits vom "Epochenbruch"

Es gibt die Klage, dass er bei seinen Reden bisher eher durch Masse als durch Klasse aufgefallen sei. Und dass er, weil er zu oft zu vielen gefallen wolle, häufig nicht konkret genug werde. Das wurmt Steinmeier. Und das will er ändern. Im Februar hat er Marc Brost von der Zeit als Redenschreiber ins Präsidialamt geholt. Brost hat die Rede, die Steinmeier an diesem Freitag halten wird, maßgeblich geschrieben.

In den vergangenen Monaten ist der Bundespräsident aber bereits selbst deutlich klarer geworden. Bei der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Karlsruhe kritisierte er die Führer der russisch-orthodoxen Kirche scharf. Steinmeier warf ihnen vor, die Gläubigen "auf einen schlimmen, ja geradezu glaubensfeindlichen, blasphemischen Irrweg" zu führen. Durch ihre Unterstützung des russischen Angriffskrieges würden sie "willkürlich Gottes Willen für die imperialen Herrschaftsträume einer Diktatur in Anspruch" nehmen.

Und als viele die gewaltigen Probleme bei der Documenta noch nicht gesehen haben, hat der Bundespräsident bereits mit Blick auf die Veranstalter und das indonesische Kuratorenkollektiv klargestellt: "Niemand, der in Deutschland als Debattenteilnehmer ernst genommen werden will, kann zu Israel sprechen, aber zu sechs Millionen ermordeten Juden schweigen."

Steinmeier war Teil des Problems

Doch zu den Konsequenzen, die die Bundesbürger aus dem russischen Angriffskrieg und dem Klimawandel ziehen sollten, hat man von Steinmeier noch nicht so viel Konkretes gehört. Der Bundespräsident spricht seit Mai zwar vom "Epochenbruch", der viele Gewissheiten der vergangenen Jahrzehnte "in Frage gestellt oder schon hinweggefegt" habe. Er formulierte aber noch nicht aus, was das bedeutet. Das will er jetzt nachholen.

Einfach wird das für ihn nicht werden. Denn Steinmeier war - wenn es um den Klimawandel und die Russland-Politik geht - in der Vergangenheit ja selbst Teil des Problems. Als Angela Merkels Außenminister und Gerhard Schröders Kanzleramtschef war er fast 15 Jahre lang mitverantwortlich für den deutschen Umgang mit Russland - und damit auch für die vielen Fehler im Umgang mit Wladimir Putin. Als besonders effektiver Vorkämpfer für den Klimaschutz ist er in dieser Zeit auch nicht aufgefallen.

Und so wird an diesem Freitag auch interessant sein, ob Steinmeier Selbstkritik üben wird. Oder ob er - auch um diese zu vermeiden - vor allem nach vorne schauen wird.

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