Bundespräsident wiedergewählt:"Wer die Demokratie angreift, wird mich als Gegner haben"

Bundespräsident wiedergewählt: Mit 1045 Stimmen wiedergewählt: Frank-Walter Steinmeier, alter und neuer Bundespräsident.

Mit 1045 Stimmen wiedergewählt: Frank-Walter Steinmeier, alter und neuer Bundespräsident.

(Foto: Bernd Von Jutrczenka/dpa)

Frank-Walter Steinmeier gibt sich kämpferisch. Er appelliert an Präsident Putin: "Lösen Sie die Schlinge um den Hals der Ukraine!"

Von Boris Herrmann und Robert Roßmann, Berlin

Frank-Walter Steinmeier will sich in seiner zweiten Amtszeit als Bundespräsident in besonderer Weise für die Stärkung der Demokratie einsetzen. Er befürchte, dass die Gegner der Demokratie nach der Pandemie nicht leiser werden, sagte Steinmeier am Sonntag. Sie würden sich "neue Themen suchen und vor allem neue Ängste, von denen es reichlich gibt in dieser Zeit". Solche Sorgen, etwa wegen der Digitalisierung, der Globalisierung oder des Klimawandels, seien ein "Nährboden für die, die mit der Angst ihr politisches Geschäft betreiben". Er wolle deshalb, "fernab vom Selbstgespräch der Hauptstadt, das doch viele gar nicht erreicht", Orte besuchen, an denen Menschen Verluste erleben.

Ein Bundespräsident könne "alte Gewissheiten nicht zurückholen", sagte Steinmeier. Aber er könne Zukunftsangst nehmen und Zuversicht geben. Denn: "Jeder, den wir verlieren, fehlt der Demokratie." Er werde dabei keine Kontroverse scheuen, denn Demokratie brauche Kontroverse. Klar sei aber auch, wer die Demokratie angreife, werde ihn "als Gegner haben".

"Unterschätzen Sie nicht die Stärke der Demokratie!"

Angesichts des russischen Truppenaufmarsches an der Grenze zur Ukraine forderte Steinmeier Präsident Wladimir Putin auf: "Lösen Sie die Schlinge um den Hals der Ukraine!" Er könne Putin nur warnen: "Unterschätzen Sie nicht die Stärke der Demokratie!"

Zuvor hatte die Bundesversammlung Steinmeier erneut an die Spitze des Staates gewählt. Er war gemeinsamer Kandidat von SPD, CDU, CSU, Grünen und FDP. Die fünf Parteien stellen in der Bundesversammlung 1223 der 1472 Wahlleute, Steinmeier erhielt aber nur 1045 Stimmen.

Der von der AfD aufgestellte Ökonom Max Otte kam auf 140, der von den Linken nominierte Sozialmediziner Gerhard Trabert auf 96 und die Astrophysikern Stefanie Gebauer (Freie Wähler) auf 58 Stimmen. Trabert und Gebauer gelang es damit, auch Delegierte aus den anderen politischen Lagern für sich zu gewinnen. Denn die Linke kommt in der Bundesversammlung nur auf 71 Delegierte, die Freien Wähler sogar nur auf 18.

Bas ruft Abgeordnete auf, "noch mehr zuzuhören"

Den Vorsitz in der Bundesversammlung hatte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. In ihrer Ansprache rief sie die Abgeordneten dazu auf, den Bürgerinnen und Bürgern "noch mehr zuzuhören". Deren Meinungen und Erfahrungen müssten ernst genommen werden, anderenfalls würden Unmut und Unzufriedenheit wachsen. Denn die Demokratie lebe nicht, "weil sie auf dem Papier steht", sondern von Gemeinsinn und Offenheit.

"Stellen wir - die politisch Verantwortlichen - uns ernsthaft genug die Frage, warum Zweifel an unserem Tun und an den Institutionen unseres Staates wachsen?" fragte die Bundestagspräsidentin. "Sind wir in der Lage, ehrlich zu antworten? Oder gehen wir gleich in eine Verteidigungshaltung?" Sich hier zu hinterfragen sei wichtig, denn niemand sei "im Besitz der einzig richtigen Lösung".

Bereits an diesem Dienstag will Steinmeier zur ersten Auslandsreise nach seiner Wiederwahl aufbrechen. Ziel ist Lettland. Am 20. Februar fliegt er dann nach Senegal.

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