Süddeutsche Zeitung

Parlamentswahl in Italien:Wie es jetzt in Rom weitergeht

Lesezeit: 3 min

Wie lange wird es dauern, bis Italien eine neue Regierung hat? Welche Rolle spielt Berlusconi? Und was passiert, wenn keine Koalition zustande kommt? Die wichtigsten Fragen und Antworten nach der Wahl.

Von Jana Anzlinger

"Jetzt müssen alle mit uns reden", triumphiert Alessandro di Batista. Er ist einer der führenden Köpfe der Cinque Stelle, die mit 32 Prozent als stärkste Einzelpartei aus der italienischen Parlamentswahl hervorgegangen ist. Die populistische Partei Cinque Stelle, auf deutsch "Fünf Sterne", bezeichnet sich selbst als Bewegung und versucht seit ihrer Gründung im Jahr 2009, sich von der etablierten Politik abzuheben.

Das stärkste Parteienbündnis ist das um den Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi. Seine konservative Forza Italia und die fremdenfeindliche Lega sowie zwei weitere Rechtsparteien erhielten zusammen 36 Prozent (Forza Italia: 14 Prozent, Lega: 18 Prozent). Lega-Chef Matteo Salvini hat bereits Anspruch auf die Regierung erhoben. "Wir haben das Recht und die Pflicht zu regieren", sagt der 44-Jährige nach dem Erfolg - und kündigt, ähnlich wie di Batista, an: "Wir sprechen mit allen."

Das regierende Mitte-Links-Bündnis ist abgestürzt. Der sozialdemokratische Partito Democratico (PD), der die Koalition anführt, kam auf nur 19 Prozent - ein schwerer Schlag für Premier Paolo Gentiloni und PD-Chef Matteo Renzi, der bis Dezember 2016 das Land regiert hatte. Renzi reagierte auf das Debakel mit seinem Rücktritt.

Müssen jetzt wirklich alle mit Cinque Stelle reden? Oder doch eher mit der Lega? Und könnte die Regierungsbildung in Italien noch länger dauern als in Deutschland? Trotz der unübersichtlichen Lage lassen sich die wichtigsten Fragen nach der Italien-Wahl schon beantworten.

Welche Bedeutung haben Parlamentswahlen in Italien?

Im politischen System des Landes spielen das Parlament, die Minister und der Premierminister eine sehr große Rolle. Der Staatspräsident ist unwichtig für das politische Tagesgeschehen. Die Parlamentswahl ist in ihrer Bedeutung für das Land mit der Bundestagswahl in Deutschland vergleichbar.

Das Parlament in Rom hat zwei gleichberechtigte Kammern: den Senat mit 315 bis 320 Sitzen und das Abgeordnetenhaus mit 630 Sitzen. Um regieren zu können, ist die Mehrheit in beiden Kammern notwendig.

Ein Grund für den komplizierten Ausgang der Abstimmung ist das neue Wahlrecht. Mit ihm wurde die Regel abgeschafft, dass die Partei oder Gruppe mit den meisten Stimmen im Parlament einen Regierungsbonus erhält.

Was passiert als nächstes?

Die beiden Kammern des Parlaments kommen erstmals am 23. März zu einer Sitzung zusammen. An diesem Tag werden die Präsidenten des Senats und des Abgeordnetenhauses gewählt. Der Verlauf der Abstimmung gilt als erster Hinweis darauf, welche Fraktionen zusammenarbeiten könnten und welches Bündnis sich als belastbar beweisen könnte.

Eine Schlüsselrolle kommt dabei Staatspräsident Sergio Mattarella zu, der alle parlamentarischen Gruppen zu Gesprächen einlädt. Er muss abwägen, wer die besten Chancen hat, eine Regierung zu bilden. Daraufhin sucht er eine Person aus, die diese Aufgabe übernehmen soll. Diese führt die Koalitionsverhandlungen.

Welche Koalitionen sind möglich?

Keines der drei politischen Lager - weder Mitte-links noch Rechts noch die Fünf Sterne-Bewegung - kommt alleine auf eine Mehrheit. Für eine große Koalition aus sozialdemokratischer PD und Forza Italia reichen die Stimmen ebenfalls nicht.

Italienische Medien spekulieren über eine Koalition der beiden populistischen Europaskeptiker Cinque Stelle und Lega. Sie könnten mit Berlusconis konservativer Forza Italia kooperieren, kämen aber auch ohne sie auf eine Mehrheit der Sitze. Gegen dieses Bündnis spricht allerdings, dass Cinque Stelle sich bislang gegen etablierte Parteien wie die Lega gestellt hat und im klassischen "Links-Rechts"-Schema nicht zu verorten ist. Hinzu kommt, dass die Lega eine norditalienische Partei ist - und Cinque Stelle im ökonomisch schwachen Süden abgeräumt hat und dort erfolgreich um wirtschaftlich benachteiligte Wähler geworben hatte.

Ebenfalls möglich wäre eine Koalition von Cinque Stelle, Sozialdemokraten und der linken Liberi e Uguali.

Eine Mehrheit ohne die Cinque Stelle hätten Lega und Forza Italia zusammen mit den Sozialdemokraten. Ein ähnliches Bündnis gab es schon nach der Parlamentswahl 2013; es hielt allerdings nicht die ganze Legislaturperiode lang.

Könnte die bisherige Regierung im Amt bleiben?

Die Koalition aus dem sozialdemokratischen PD und kleineren Zentrums- und Regionalparteien ist abgewählt. Doch sie regiert so lange weiter, bis sich eine neue Koalition gefunden hat - auch wenn das mehrere Monate dauert.

Stellt die stärkste Fraktion automatisch den Regierungschef?

Nein, denn der Präsident vergibt den Regierungsauftrag an die Fraktion, der er die nötigen Absprachen mit Partnern und die Bildung einer stabilen Regierung zutraut. Das muss nicht zwangsläufig die Fraktion sein, die die meisten Wählerstimmen bekommen hat.

Welche Rolle spielt Ex-Premier Silvio Berlusconi?

Der 81-Jährige zieht nur im Hintergrund die Fäden. Premierminister oder ähnliches kann Berlusconi nicht werden, denn er wurde mit einem Ämterbann belegt, der erst 2019 abläuft.

Wie lange wird es dauern, bis Italien eine neue Regierung hat?

Präsident Mattarella, ein 75-jähriger Sizilianer ( hier ein Porträt), beginnt erst nach dem 23. März mit den Gesprächen. Insgesamt kann der Prozess Monate dauern. "Vermutlich gibt es eine lange Periode der Suche und der Unsicherheit", prophezeit der Politikwissenschaftler Roberto D'Alimonte.

Was passiert, wenn die Regierungsbildung scheitert?

In schweren politischen Krisen ist in Italien ein governo tecnico möglich, eine Art Technokratenregierung. Der Staatspräsident ernennt Experten, die nicht von den Parteien nominiert sind, zu Ministern. Das können etwa Beamte aus der Parlamentsbürokratie sein oder Fachleute aus der Wirtschaft. Ein solcher Experte kann auch zum Ministerpräsidenten ernannt werden.

Außerdem kann Präsident Mattarella, wenn er keine Lösung findet, das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen. Beides sind jedoch Notfallszenarien - so wie es Neuwahlen in Deutschland waren, die die SPD-Basis am Sonntag mit ihrem Ja zur Groko abgewendet hat.

Mit Material der Agenturen.

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