Süddeutsche Zeitung

Afrika-Reise:Fernbeziehung im Wüstencamp

Lesezeit: 3 min

Beim Truppenbesuch im Niger zeigt Kanzler Olaf Scholz sein neues Interesse am Militärischen. Und sagt höflich "Dankeschön".

Von Daniel Brössler, Tillia

Die Sonne meint es gut mit Olaf Scholz. Sie lässt sich erst einmal nicht blicken. Als der Kanzler nach einer Stunde Flug aus dem A400M der Bundeswehr steigt, ist der Himmel über der Wüste verhangen. Er trägt ein blaues Polohemd, eine hellbraune Freizeithose und bequeme Wanderschuhe. 50 Grad könne es hier werden, ist dem Kanzler gesagt worden. Aber davon kann noch keine Rede sein. 40 sind es höchstens. Am Vorabend hat es geregnet. Bei so moderater Temperatur muss Scholz nun erst einmal an der Seite eines roboterhaft voranstürmenden nigrischen Offiziers in drei Reihen angetretenen Soldaten abschreiten. Dann macht der Offizier schreiend Meldung. Scholz nickt gut gelaunt und sehr zivil.

Es ist der zweite Tag der Afrika-Reise des Kanzlers und potenziell einer voller Unwägbarkeiten. Der etwas ruppige Flug mit dem modernen Transport-Airbus A400M war sein erster, und das ist nicht die einzige Premiere an diesem Tag. Es ist sein erster Besuch bei der Bundeswehr im Auslandseinsatz. Zwei Stunden wird Scholz in dem entlegenen Wüstencamp zubringen. Zwei Stunden, nach denen er ziemlich viel über Erfolge sprechen wird.

Fregattenkapitän Sven Rump bringt Scholz erst einmal auf den letzten Stand der Mission "Gazelle". Die Lage ist vergleichsweise ruhig, die Arbeit mache sich bezahlt, instruiert er den Kanzler. Es ist ein ziemlich unbekannte Mission, die sich Scholz da zeigen lässt. Hier läuft es besser als in Mali, wo die Terroristen vom Islamischen Staat, russische Söldner und die Armee sich an Grausamkeit überbieten.

Etwa 260 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr tun derzeit in Tillia Dienst, 80 Kilometer von der malischen Grenze entfernt. Ein halbes Dutzend von ihnen sind Kampfschwimmer der Marine. Seit 2018 sind sie jeweils rotierend für vier Monate damit beschäftigt, Spezialkräfte der nigrischen Armee auszubilden für den Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat". Im Kern geht es darum, sie fern zu halten von Niger.

Scholz wird zackig gegrüßt. Er verbeugt sich dann leicht und bedankt sich

Als Scholz sich von Rump durchs Lager führen lässt, interessiert er sich nicht zuletzt für die Logistik. Wie kommt der Nachschub ins Nichts, wieviel Elektrizität braucht so ein Lager? Solche Dinge. Scholz findet das faszinierend. Rump schildert die Lebensbedingungen im Camp, die mitten in der Wüste ein bisschen wie "offenen Vollzug" vorstellen könne. Oder doch eher härter. Unterwegs grüßen nigrische Soldaten seine Exzellenz, den Kanzler, zackig. Scholz verbeugt sich dann leicht. Und sagt "Dankeschön".

Olaf Scholz und das Militärische - das war keine Zuneigung auf den ersten Blick. Als junger Mann hat Scholz Ende der 70er den Wehrdienst verweigert. In einem Altenheim leistete er seinen Zivildienst. Der Juso Scholz gehörte im Oktober 1981 zu den Organisatoren der Massendemo gegen die Nachrüstung im Bonner Hofgarten. Er sehe, sagte Scholz kürzlich in einem Interview mit dem Stern, die "Dinge heute anders".

Im Kanzleramt hat er einen Bundeswehr-General mit dem Corona-Krisenmanagement betraut. Der kann das am besten, fand er. Scholz hat als Bundestagsabgeordneter zahllosen Auslandseinsätzen der Bundeswehr zugestimmt, und manchmal verweist er auch auf sein Wirken als Finanzminister. In dieser Zeit sind die Ausgaben für die Truppe auch schon gestiegen, wenn auch fast mickrig im Vergleich zu jenen 100 Milliarden Euro, mit denen Scholz am 27. Februar im Bundestag seine eigene Fraktion überrollt hat. Er kann, wenn es um die Waffenlieferungen für die Ukraine geht, auch Diskussionen darüber führen, warum 59000 Schuss Munition für fünfzehn Gepard-Panzer eben seiner Meinung nach doch reichen für eine ganze Weile, wenn der Einsatz nur gezielt genug ist.

Scholz hat mit der Bundeswehr also schon vor langer Zeit seinen Frieden gemacht, aber das Verhältnis gleicht noch einer Fernbeziehung. Vor seinem Besuch bei den Kampfschwimmern in Tillia hat Scholz auch im Inland nur ein einziges Mal bei der Truppe vorbeigeschaut. Das war beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr im brandenburgischen Schwielowsee. Es handele sich um einen "lange, lange geplanten Besuch", erläuterte er damals trocken, "den ich mir vorgenommen habe, um mir die Arbeit hier anzuschauen".

Scholz spricht unter der Zeltplane "ganz ausdrücklich in Namen unseres Landes, der Bundesrepublik Deutschland"

Nach dem Rundgang vorbei an mit Geschützen bewehrten Lastern erwartet das deutsche Trüppchen in der Hitze unter einer Zeltplane den Bundeskanzler. Erstmal ein Foto. Die Hände des Kanzlers wandern in die Hosentaschen, dann wird gelächelt. Danach ist es Zeit für eine kleine Ansprache. Seinen "Respekt", sagt Scholz, wolle er zum Ausdruck bringen, und "ganz ausdrücklich in Namen unseres Landes, der Bundesrepublik Deutschland, Danke sagen für das, was sie tun".

Als er mit seiner kleinen Ansprache über den Erfolg der Mission von Tillia und ihre geplante Fortführung zum Ende kommt, entsteht eine kleine Pause. "Ich habe gehört", bricht Scholz das Schweigen, "dass wir uns jetzt locker unterhalten sollen. Ich weiß ja nicht, ob Sie sich schon locker finden, aber bitte." Fast tut er es jetzt selbst, der Kanzler. Locker wirken.

Als Scholz zurück zum Transportflugzeug kommt, ist er bester Laune. Hier funktioniert mal was, das ist sein Gefühl. Die Nigrer sind zufrieden mit dem deutschen Einsatz, und die Soldaten trotz der Härte in der Wüste nach seinem Eindruck auch. "Hochwertig" sei die Ausbildung, sagt später im Präsidentenpalast in der Hauptstadt Niamey Mohamed Bazoum. Man möge, bittet der Präsident, die Zusammenarbeit fortsetzen. Scholz hört es gern.

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