Süddeutsche Zeitung

Machtkampf in der CDU:Unmut über Merz

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Der frühere Fraktionschef behauptet, dass die CDU-Spitze den Parteitag verschoben habe, um seine Chancen auf den Vorsitz zu schmälern. Namhafte Christdemokraten weisen Merz' Intrigenvorwurf zurück.  

Die Verschiebung des CDU-Bundesparteitags auf das kommende Jahr hat innerhalb der Partei einen offenen Streit ausgelöst. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus und andere namhafte Christdemokraten wehrten sich am Dienstag gegen den Vorwurf des früheren Fraktionschefs Friedrich Merz, der hinter der Absage eine Kampagne der Parteiführung gegen sich wittert.

"Der Grund für die Verschiebung des Präsenzparteitages war die Infektionslage in Deutschland", sagte Ziemiak im Deutschlandfunk. Merz hatte zuvor in mehreren Interviews Teilen des "Partei-Establishments" vorgeworfen, ihn als CDU-Chef verhindern zu wollen. Die Absage sei "der letzte Teil der Aktion 'Merz verhindern' in der CDU", sagte Merz der Welt.

CDU-Generalsekretär Ziemiak vermied es, den Vorwurf von Merz direkt zu kommentieren und verwies stattdessen noch einmal auf die steigenden Infektionszahlen, die eine Veranstaltung mit 1001 Delegierten in einem geschlossenen Raum unmöglich machten.

Zugleich wies er allerdings auch darauf hin, dass er selbst sich für einen sogenannten hybriden Parteitag stark gemacht habe, der zeitgleich an mehreren Orten mit einer geringeren Teilnehmerzahl hätte stattfinden können. Dies sei aber von der Mehrheit der Parteiführung abgelehnt worden.

Unions-Fraktionschef Brinkhaus hat die Kritik von Friedrich Merz an der Vertagung des CDU-Parteitags zurückgewiesen. "Jetzt ist es einfach so, dass wir ein Zeichen setzen müssen", sagte der CDU-Politiker am Dienstag vor der Sitzung der Unions-Bundestagsfraktion mit Hinweis auf die stark steigenden Zahlen an Corona-Neuinfektionen.

Laschet nimmt Merz vor Trump-Vergleichen in Schutz

Auch in der eher konservativen hessischen CDU regte sich Missmut über die Attacken von Merz. Der stellvertretende Landesparteichef Patrick Burghardt twitterte: "Ich finde damit geht er zu weit!" Seinen Tweet versah Burghardt mit den Hashtags #kopfschütteln, #Unverständnis und #schade.

Der CDU-Bundesvorstand hatte am Montag beschlossen, dass der geplante Präsenzparteitag am 4. Dezember in Stuttgart mit 1001 Delegierten angesichts der stark steigenden Infektionszahlen nicht mehr zu halten sei.

Wenn auch Anfang des neuen Jahres kein Präsenzparteitag möglich sei, soll ein digitaler Parteitag abgehalten werden. Merz kritisiert die Entscheidung und hält weiter an seiner Forderung nach einem Parteitag im Dezember fest. Der frühere Fraktionschef behauptet, die Parteispitze würde die Entscheidung über den Parteivorsitz zugunsten des ebenso kandidierenden CDU-Vizes Armin Laschet hinauszögern.

Laschet äußerte sich am Dienstagabend zu den Verbalattacken von Merz. Es sei verständlich, "dass bei einer solchen Kandidatur auch Emotionen im Spiel sind", sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident. Die CDU müsse aber "ruhig und besonnen" bleiben. Laschet nahm Merz sogar in Schutz vor Kritik, die diesen wegen seiner Intrigenvorwürfe in eine Reihe mit US-Präsident Donald Trump stellte. "Ich kenne ihn seit vielen Jahren", sagte Laschet, "Merz mit Trump zu vergleichen, ist völlig fehl am Platz."

Söder zeigt Verständnis für Parteitagsverschiebung

Spitzenvertreter der Schwesterpartei CSU kommentieren das Geschehen um Merz bislang zurückhaltend. Parteichef Markus Söder will die Diskussion in der CDU über die Verschiebung des Parteitags nicht bewerten. "Das ist rein die Sache der CDU", sagte Söder, fügte aber hinzu, dass er großes Verständnis für die Verschiebung habe.

Der bayerische Ministerpräsident verwies auf seine frühere Äußerung in Richtung der CDU, dass eine Versammlung von rund 1000 Menschen angesichts der Corona-Beschränkungen ein falsches Signal wäre.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warnte derweil davor, nach der Verschiebung des CDU-Parteitags einen falschen Zungenschlag in die Diskussion zu bringen. Er könne die Entscheidung nachvollziehen. Aber auch andere Entscheidungen seien möglich gewesen, sagte Dobrindt in Berlin.

Seit Wochen werde darüber diskutiert, wie mit einem solchen Parteitag mit 1000 Delegierten umzugehen sei. "Jetzt muss man auch zu so einer Entscheidung gemeinsam stehen." Sonst erwecke man den Eindruck, das persönliche Anliegen stehe über dem Gesamtwohl. Die CDU sei voll arbeitsfähig. Sie komme mit der Situation sehr gut zurecht.

Mit Blick auf die Vorwürfe von Merz, mit der Verschiebung des Wahlparteitages arbeite ein Teil des Partei-Establishments gegen ihn, sagte Dobrindt, grundsätzlich gelte: Wenn man sich um höchste Ämter bewerbe, dann laufe nicht immer alles nach Plan. Und wenn man dann solche Ämter innehabe, sei das genauso. Die Kunst sei, "das Unerwartete zu beherrschen". Man müsse sich jetzt arrangieren mit der neuen Situation, das sei die Herausforderung.

Es gehe im nächsten Jahr um die Frage des Kanzlerkandidaten. "Das ist die entscheidende Frage", sagte Dobrindt. Die CSU sei ohnehin der Meinung, dass der Kanzlerkandidat im Laufe des ersten Halbjahres 2021 gefunden werden sollte

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