Süddeutsche Zeitung

Merkel in der Türkei:Wagenknecht: "Die Kanzlerin hofiert einen islamistischen Autokraten"

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Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht hat Kanzlerin Angela Merkel vorgeworfen, sich mit ihrem Besuch in der Türkei bei Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan anzubiedern. "Viele Menschen in Deutschland sorgen sich angesichts der Gefahren durch einen radikalisierten politischen Islam, aber die Bundeskanzlerin hofiert einen islamistischen Autokraten, von dem allgemein bekannt ist, dass er radikale Islamisten und gefährliche Terrormilizen weltweit unterstützt und finanziert", sagte Wagenknecht der Rheinischen Post.

Sie warf Merkel vor, dem "Despoten Erdoğan" mit ihrer Reise nach Ankara erneut vor einer wichtigen Entscheidung im Land den Rücken zu stärken. Dies sei ein "politisches Armutszeugnis". Ende März oder Anfang April sollen die Türken in einer Volksabstimmung über die Einführung des von Erdoğan angestrebten Präsidialsystems entscheiden.

Ähnlich hatte sich zu Beginn der Woche der türkische Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu geäußert. Er warf der Kanzlerin vor, Erdoğan im Kampf um mehr Macht zu helfen. "Seine Botschaft wird lauten, dass sie mit ihrem Besuch seinen Plan unterstützt", sagte der Vorsitzende der größten Oppositionspartei, der säkularen CHP, im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

De Maizière: "Die Bundeskanzlerin braucht da keine Ratschläge"

Merkel reist an diesem Donnerstag zum ersten Mal seit dem Putschversuch nach Ankara. Wagenknecht rief die Kanzlerin dazu auf, bei ihrem Türkei-Besuch deutlich zu machen, dass sie den Kurs des Präsidenten nicht unterstütze. Ebenso dringend sei es, das Erdoğan-Netzwerk in Deutschland zu zerschlagen. "Es kann nicht sein, dass der türkische Despot direkten Einfluss auf den Inhalt von Predigten in deutschen Moscheen hat", so die Linke-Politikerin.

Weniger scharfe Worte findet FDP-Chef Christian Lindner. Er forderte von Merkel, in der Türkei öffentlich klar Stellung zu beziehen: "Massenhafte Verhaftungen, die Einschränkungen der Pressefreiheit und die Debatte über die Einführung der Todesstrafe verlangen eine eindeutige politische Einordnung." Zugleich warnte Lindner: "Der Flüchtlingsdeal mit der Türkei darf nicht zu einem Rabatt bei rechtsstaatlichen Fragen führen."

Innenminister Thomas de Maizière bezeichnete Merkels Reise nach Ankara dagegen als "richtig" - und verbat sich Forderungen an die Adresse Merkels. "Die Bundeskanzlerin braucht da keine Ratschläge", sagte der Minister der Passauer Neuen Presse. "Sie weiß, was sie dort zu tun hat." Die Türkei sei Mitglied und Partner in der Nato und ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen den Terrorismus. "Die Türkei hat in bemerkenswerter Weise Millionen von Flüchtlingen aufgenommen. Das darf nicht in Vergessenheit geraten", so der Innenminister.

Zugleich äußerte sich de Maizière besorgt über die Lage in dem Land. "Die Entwicklung der demokratischen Verhältnisse, der Umgang mit der Justiz gibt Anlass zur Sorge." Die Niederschlagung des Putsches im vergangenen Juli sei zwar erfolgreich gewesen, die Schuldigen müssten gefunden und bestraft werden. "Das darf aber nicht zum Anlass genommen werden, wesentliche demokratische Grundrechte einzuschränken", betonte der CDU-Politiker. "Diese Entwicklung besorgt uns, und das haben wir auch mehrfach sehr deutlich ausgesprochen", sagte de Maizière.

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