Süddeutsche Zeitung

Regierungsklausur:Bitte recht freundlich

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Nach der Kabinettsklausur in Schloss Meseberg bemühen sich die drei Koalitionspartner um ein Bild der Harmonie. Und der Kanzler wartet auf ein Signal aus der Ukraine.

Von Daniel Brössler, Meseberg

Wenn sonst nichts stimmen würde an diesem Tag, die Choreografie tut es. Zur Mittagsstunde, bei strahlendem Sonnenschein, durchquert der Bundeskanzler den Vorhof von Schloss Meseberg, den Vizekanzler zu seiner Rechten, den Finanzminister zu seiner Linken. Bestens aufgelegt und fast im Gleichschritt nähern sich Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner drei bereitstehenden schwarzen Pulten. Die Herren wollen berichten über die eben zu Ende gegangene zweitägige Kabinettsklausur, die Scholz gleich als "erfolgreich" preisen wird und die auf den Pulten eigenwillig ohne "s" zwischen Kabinett und Klausur geschrieben steht. Für die Ampel war es das erste Teambuilding im Schloss, gefolgt ist es aber einer alten Regel: Hebe die Stimmung und zeige es auch.

Was nicht das Spezialgebiet des Kanzlers ist, der erst einmal darauf verweist, es sei "sorgfältig diskutiert" worden. Vizekanzler und Wirtschaftsminister Habeck bleibt es überlassen, das ein wenig zu übersetzen. "So aufbruchsmäßig war die Stimmung jetzt nicht", sagt der Grüne über die ersten fünf Ampelmonate. Eher schon sei es "höchste Konzentration" gewesen und ein "tiefes Bewusstsein, dass wir einen historischen Moment erleben und den bestehen müssen als Regierung, als Deutschland und in Europa".

In Zeiten von Pandemie und Krieg habe die Zeit nie gereicht, "um einen Gedanken frei zu formulieren". Jetzt sei mal Zeit gewesen, "das große Bild zu malen". Die Klausurtagung sei "im Übrigen auch nett" gewesen, ergänzt FDP-Mann Lindner. Man habe sich "mit schweren Fragen beschäftigt", aber das heiße "nicht, dass nicht auch herzlich gelacht worden ist".

Ob Scholz das kurze Grinsen des Vizekanzlers bemerkt?

Gemeinsam ist dem Trio am Bild einer einigen Regierung gelegen, die harmonisch an den großen Aufgaben einer völlig veränderten Welt arbeitet. Während der Klausur ist über sicherheitspolitische Fragen gesprochen worden, vor allem mit den Regierungschefinnen aus Finnland und Schweden. Thema waren aber auch die wirtschaftlichen Folgen für Deutschland, wozu der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, und der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Sebastian Dullien, hinzugebeten wurden. Sich von russischer Energie unabhängig zu machen, komme voran, betonen Scholz wie Habeck. Ein Beschleunigungsgesetz etwa soll die Genehmigungsverfahren für LNG-Terminals für Flüssiggas auf Wochen verkürzen.

Während der Pressekonferenz wird Scholz dann auch gefragt, ob er aus der Kritik an seinem Kommunikationsstil Konsequenzen gezogen habe und ob der Streit um Waffenlieferungen an die Ukraine beendet sei. "Ihre Beobachtungen sind unzutreffend", belehrt der Kanzler den Fragesteller, wobei zunächst nicht ganz klar wird, ob sich das mehr auf die Kommunikation oder die Waffen bezieht und ob Scholz das kurze Grinsen im Gesicht seines Vizekanzlers bemerkt hat. Scholz jedenfalls legt noch einmal die "sehr, sehr präzise Linie" dar, der die Bundesregierung bei Waffenlieferungen folge und die sich am Kriegsgeschehen orientiere. Man handele "identisch", so wie die Verbündeten. Dort würden nur nicht dieselben Debatten geführt.

Konkret hat sich die Bundesregierung offenbar der gemeinsamen deutsch-niederländischen Lieferung von etwa einem Dutzend Panzerhaubitzen 2000 angenähert, was Scholz allerdings erst einmal nur andeutet. In der Frage, was zu tun sei, führe er eine "vollständig geschlossene Regierung", versichert er aber. Was Scholz auch für ein Thema in Anspruch nimmt, das sich zu einem diplomatischen Drama in mehreren Akten ausgewachsen hat. Es geht um die Kiew-Reise, die CDU-Chef Friedrich Merz gerade absolviert hat und die auch die grüne Außenministerin Annalena Baerbock gerne unternehmen würde.

Steinmeiers Ausladung sei "ein Problem", betont Scholz erneut

Ein weiteres Mal betont der Kanzler, dass die Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seiner eigenen Kiew-Reise im Wege stehe. Als dann Scholz und die beiden Minister gefragt werden, wie sich die Angelegenheit aus der Welt schaffen ließe, zückt der Kanzler vorsichtshalber seine Richtlinienkompetenz. Er glaube, "ich kann für uns alle drei sagen, dass das für die deutsche Regierung und für das deutsche Volk ein Problem ist, dass der Bundespräsident gebeten wurde, nicht zu kommen". Darüber werde man sich Gedanken machen müssen. Allerdings müsse da jetzt auch die Ukraine ihren Beitrag leisten. Was das genau heißt, erklärt Scholz nicht, aber man darf vermuten, dass ein Telefonat des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij mit Steinmeier helfen könnte.

"Es ist ein Problem, und ich weiß mich da einig mit fast jedem in Deutschland", stellt Scholz jedenfalls klar. Im Übrigen zähle er zu den Politikern, die - vor dem Krieg - schon in Kiew gewesen seien und in häufigem Telefonkontakt mit Präsident Selenskij stünden. "Insofern sind wir im engsten Austausch miteinander, und das ist die Haltung, die wir als Regierung haben", schließt der Kanzler das Thema ab. Was sollen seine Minister da noch sagen? "Genau", sagt Habeck. "Genau", sagt Lindner.

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