Süddeutsche Zeitung

Arbeitskampf:Millionen Fahrgäste von Verkehrsstreik betroffen

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Die Gewerkschaft Verdi spricht vom größten Streik seit mehr als 30 Jahren. Bundesweit liegen bei der Bahn Regional- und Fernverkehr weitgehend lahm. Fast alle Flughäfen müssen den Passagierverkehr einstellen.

Millionen Menschen in Deutschland hat der große Warnstreik bei der Bahn, im öffentlichen Nahverkehr und an Flughäfen getroffen. Die Deutsche Bahn hat den Fernverkehr für Montag eingestellt. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hatte zusammen mit Verdi zu dem Warnstreik aufgerufen. Laut EVG beteiligten sich bis zum frühen Morgen mehr als 30 000 bei den Bahnen Beschäftigte an 350 Standorten.

Auch Flughäfen und der öffentliche Personennahverkehr in den sieben Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Sachsen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz werden bestreikt, sodass in weiten Teilen des Regional- und S-Bahnverkehrs keine Züge mehr fahren.

Ob am Nachmittag im Regionalverkehr einzelne Verbindungen aufgenommen werden, hängt laut DB vom Streikverlauf ab. Auswirkungen dürften aber auch am Dienstag noch zu spüren sein. Fahrgäste, die für Montag oder Dienstag eine Reise gebucht haben, können das Ticket laut Bahn bis 4. April flexibel nutzen. Platzreservierungen können kostenlos storniert werden.

"An diesem überzogenen, übertriebenen Streik leiden Millionen Fahrgäste, die auf Busse und Bahnen angewiesen sind", sagte ein Bahnsprecher am Morgen in Berlin. "Nicht jeder kann vom Homeoffice aus arbeiten." Nachteile hätten demnach auch Tausende Unternehmen in der Wirtschaft, die ihre Güter über die Schiene empfingen oder versendeten: "Gewinner des Tages sind die Mineralölkonzerne."

Auch an den Flughäfen geht am Montag nichts

Bis auf den Hauptstadtflughafen BER sind die Airports in Deutschland quasi lahmgelegt. Die beiden größten Flughäfen, in Frankfurt und München, haben wie viele andere den regulären Passagierverkehr eingestellt. Am Flughafen der bayerischen Landeshauptstadt wurde schon am Sonntag gestreikt, dort fallen an beiden Tagen alle ursprünglich geplanten gut 1500 Verbindungen aus. Vom Arbeitskampf am Montag sind laut Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) deutschlandweit 380 000 Passagiere betroffen.

Auf den Autobahnen gibt es bisher zwar deutlich mehr Verkehr und Behinderungen, "einen Kollaps oder ein Riesenchaos sehen wir aber nicht", sagte eine Sprecherin des ADAC am Vormittag. Aus ihrer Sicht haben die frühe Ankündigung und die Berichterstattung womöglich dafür gesorgt, dass viele Menschen sich auf den Warnstreik eingestellt hätten. "Wer kann, ist im Homeoffice geblieben."

Die Auswirkungen des Verkehrsstreiks sind auch im Einzelhandel in Bayern spürbar. Viele große Häuser arbeiteten nur mit einer Notbesetzung, sagte ein Sprecher des Handelsverbandes Bayern. In wenigen Fällen blieben Geschäfte sogar geschlossen. Vor allem in Großstädten und dort im Innenstadtbereich sei mit deutlich weniger Käuferinnen und Käufern zu rechen. Je kleiner eine Stadt, desto weniger sei dagegen mit Auswirkungen auf den Handel zu rechnen. Da die Menschen im ländlichen Raum eher auf das Auto setzten, seien die Auswirkungen dort voraussichtlich geringer.

Ziel des 24-stündigen Arbeitskampfes ist es, den Druck auf die Arbeitgeber in den Tarifverhandlungen zu erhöhen. Zum Streiken aufgerufen hat Verdi rund 120 000 Beschäftigte im Bereich Verkehr und Infrastruktur - auch in kommunalen Häfen, an Schleusen, bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung und bei der Autobahngesellschaft.

Parallel zum Ausstand kommen an diesem Montag Gewerkschaften und Arbeitgeber im öffentlichen Dienst wieder zu Gesprächen zusammen. Bei der EVG stehen weitere Verhandlungen mit der Deutschen Bahn und anderen Bahnunternehmen erst später an. Verdi-Chef Frank Werneke betonte: "Mit dem Streiktag im Verkehrsbereich soll den Arbeitgebern noch einmal unmissverständlich klargemacht werden, dass die Beschäftigten eindeutig hinter unseren Forderungen stehen."

Die nächste Verhandlungsrunde ist für Montag bis Mittwoch in Potsdam geplant

Die EVG verhandelt für rund 230 000 Beschäftigte bei 50 Bahn- und Busunternehmen, für die sie zwölf Prozent mehr Lohn, mindestens aber 650 Euro im Monat mehr will. Verdi verhandelt für die etwa 2,5 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen, unter anderem auch für die Beschäftigten des Nahverkehrs und an Flughäfen. Die Gewerkschaft fordert 10,5 Prozent mehr, mindestens aber 500 Euro monatlich. "Es ist für viele Tausend Beschäftigte eine Frage der Existenz, ob es jetzt ordentliche Gehaltssteigerungen gibt", sagte Verdi-Chef Frank Werneke der Bild am Sonntag. Er sprach vom größten Streik seit 1992.

Die nächste Verhandlungsrunde ist für Montag bis Mittwoch in Potsdam geplant. Der Deutsche Landkreistag rechnet wegen des Großstreiks mit erschwerten Tarifgesprächen. "Derartige Machtdemonstrationen bei laufenden Verhandlungen schießen deutlich über das Ziel hinaus", sagte der Präsident, Ostholsteins Landrat Reinhard Sager (CDU), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnte vor einer finanziellen Überlastung der Kommunen und sagte höhere Belastungen für die Bürger voraus. Verbands-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg sagte der Bild (Montag), viele Kommunen müssten Müllgebühren oder Grundsteuer anheben. Außerdem könnten viele Kommunen künftig weniger Geld in die Renovierung von Schulgebäuden stecken.

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