Süddeutsche Zeitung

Führungspositionen in der Wirtschaft:Bundestag beschließt die Frauenquote

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Bundestag verabschiedet Koalitionsentwurf

Die Frauenquote kommt: Der Bundestag hat mit den Stimmen der Abgeordneten von CDU, CSU und SPD die entsprechende Vorlage der großen Koalition verabschiedet. Grüne und Linke enthielten sich.

Von 2016 an gilt in börsennotierten Unternehmen, in denen die Arbeitnehmerseite voll mitbestimmungsberechtigt ist, bei der Aufsichtsratswahl eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent. Das betrifft gut 100 Großunternehmen. 3500 weitere mittelgroße Firmen müssen sich ab diesem Jahr zumindest verbindliche Ziele für die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen setzen.

Im Januar hatte das Justizministerium unter Berufung auf Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) mitgeteilt, dass derzeit die Frauenquote in den Aufsichtsräten der 200 größten Unternehmen in Deutschland bei 18,4 Prozent liege, in den Vorständen bei nur 5,4 Prozent.

SPD spricht von Tag, "auf den wir stolz sein können"

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) sprach von einem Tag, "auf den wir stolz sein können". In der Aussprache im Bundestag erinnerte sie an den ersten Internationalen Frauentag 1911. Damals hätten Frauen Anspruch auf soziale und politische Gleichberechtigung erhoben. "2015 erheben wir Frauen noch immer diese Forderung." So fremd, wie heute die Vorstellung sei, dass Frauen nicht wählen oder gewählt werden könnten, so fremd müsse die Vorstellung sein, das Frauen in Unternehmen nicht mitbestimmen dürften.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte, eine gesetzliche Quote sei leider notwendig, um Gleichberechtigung zu erreichen. In Richtung der Kritiker aus der Wirtschaft sagte Maas, es gehe auch um wirtschaftliche Vernunft: "Wir haben die bestausgebildetste Generation von Frauen, die es je gab. Wer dieses Potenzial nicht nutzt, gefährdet auch Wohlstand und Wachstum."

"Sie, meine Herren, hatten Ihre Chance, und die haben Sie vertan", spitzte die SPD-Familienpolitikerin Birgit Kömpel diese Aussage weiter zu. Nun müsse den Mädchen und jungen Frauen gesagt werden: "Macht Karriere."

Verhaltene Freude bei der Union

Nadine Schön, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Unionsfraktion, bedauerte ausdrücklich, dass ein solches Gesetz überhaupt nötig sei. Der beste Tag für Frauen werde der, "an dem wir dieses Gesetz wieder abschaffen". Denn das würde der Tag sein, an dem es nicht mehr gebraucht würde.

Kristina Schröder (CDU), Schwesigs Vorgängerin, hatte nicht an der Aussprache teilgenommen. In einer Erklärung äußerte sie sich jedoch äußerst kritisch. "Ich lehne die Einführung einer gesetzlichen starren Frauenquote ab", gab sie zu Protokoll. Diese stelle einen empfindlichen Eingriff in die unternehmerische Freiheit dar und nehme Menschen in Haftung für ihr Geschlecht.

Opposition wollte noch weiter gehen

Auch die stellvertretende Vorsitzende der Links-Fraktion, Caren Lay, begrüßte, dass sich mit dem Gesetz endlich etwas ändere. Bei der Festlegung auf 30 Prozent in Aufsichtsräten in nur 108 Unternehmen handele es sich jedoch lediglich um ein "Frauenquötchen". Die Linken hatten einen Frauenanteil von 50 Prozent gefordert.

Von einer "Quote light" sprach auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt - trotzdem sei es ein "Meilenstein für die Gleichberechtigung". Ihre Partei hätte sich eine Quote von wenigstens 40 Prozent gewünscht.

Für Empörung sorgte Kathrin Vogler von der Linkspartei. Sie lehne die Einladung von Eva Högl (SPD) zu einer "Quotentorte" und Sekt ab und empfehle angesichts des Gesetzes Zwieback und Selters, sagte sie während der Aussprache. Högl warf ihr darauf hin Humorlosigkeit vor.

Vorläufiges Ende eines langen Streits

Mit der Abstimmung im Bundestag findet eine jahrelange, oft hitzig geführte Debatte - zumindest vorläufig - ein Ende. Vor allem die CSU hatte bis zuletzt auf eine Verschiebung der Frauenquote gedrängt, weil sie Belastungen für die Wirtschaft in einer konjunkturell schwierigen Zeit fürchtete. Zudem wollte die Union Ausnahmeregelungen für bestimmte Unternehmen durchsetzen. Die SPD, für die die Quote ein Herzensanliegen ist, blockte dies ab.

Weiterhin bestehen verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Regierungsentwurf. Dabei geht es vor allem um die ebenfalls geplante Umsetzung im öffentlichen Dienst und eine dort vorgesehene "Männerquote" etwa bei Erziehern und Grundschullehrern.

Auch die Wirtschaftsverbände lehnen die gesetzliche Frauenquote ab, sie wollen es bei einer freiwilligen Selbstverpflichtung belassen. Die Bundesregierung erwartet deshalb, dass Wirtschaftsvertreter vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen das neue Gesetz klagen werden.

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