Süddeutsche Zeitung

CIA-Folter:Das US-Sündenregister

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Was in den Folterkellern der CIA geschah, muss bekannt werden - auch wenn es das Land spaltet.

Reymer Klüver

Sie wussten, dass sie unrecht tun. Zumindest gab es auch bei der CIA genug Mitarbeiter, die erhebliche Bedenken hatten gegen die brutalen Verhöre der Terrorverdächtigen von al-Qaida. Das FBI zog seine Leute sogar ab, weil es mit den sadistischen Folterknechten der CIA nichts zu tun haben wollte.

Die Bush-Regierung ordnete höchste Geheimhaltung an, weil es diesen Zynikern an den Hebeln der Macht in Washington klar war, dass die Vorgänge in den Verliesen der CIA mit ihren öffentlichen Erklärungen gegen Folter und Misshandlung von Gefangenen nie in Einklang zu bringen wären und deshalb besser vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen blieben.

Nun hat die Obama-Administration widerstrebend einen internen, fünf Jahre alten CIA-Report über die sogenannten verschärften Verhörmethoden veröffentlicht - in Auszügen. Die mutmaßlich brisantesten Partien des Berichts sind geschwärzt. Aber allein die bekannt gewordenen Details - Drohungen mit der Ermordung der Kinder eines Gefangenen, Scheinhinrichtungen - zeigen zweierlei: einen widerlichen Sadismus im Namen von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit, der auch nicht mit dem Hinweis darauf gerechtfertigt werden kann, wie sehr sich Amerika nach den Anschlägen bedroht fühlte. Zum anderen kann es keinerlei Zweifel mehr daran geben, dass die Regierung Bush bewusst und gezielt die Misshandlung und Folter von Gefangenen in US-Gewahrsam nicht nur zugelassen, sondern verlangt hat.

Die jetzt publizierten Details genügen indes nicht. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, die ganze Wahrheit zu erfahren, über die Vorgänge in Amerikas Folterkellern und über die Versuche der Regierung von George W. Bush, sie zu vertuschen. Tatsächlich hat Justizminister Eric Holder nun einen Sonderermittler eingesetzt, der zumindest die schlimmsten Auswüchse untersuchen soll.

Präsident Barack Obama ist davon nicht begeistert. Aber er ist seinem Minister nicht in den Arm gefallen. Es ist nur zu verständlich, dass Obama die Aufarbeitung der Sünden seines Vorgängers lieber sein lassen wollte. Der Glaubensstreit um die Gesundheitsreform hat noch einmal vor Augen geführt, wie tief das Land weiterhin in zwei unversöhnliche Lager gespalten ist. Die Republikaner sind zu allem bereit, um Obama zu schaden. Sie wollen nur eines: Der Präsident soll scheitern. Deshalb betreiben sie Fundamentalopposition, und wollen keine Gesundheitsreform, obwohl auch die Konservativen wissen, wie dringend nötig sie wäre. Wenn man die verquere Debatte über diese Reform verfolgt, kann man nur ahnen, was auf die USA zukommt, wenn es nun zu Ermittlungen gegen CIA-Agenten und gar zu Gerichtsverfahren wegen Folter kommt.

Die Republikaner werden versuchen, wieder eine Atmosphäre kollektiver Hysterie wie nach den Anschlägen von 2001 zu erzeugen. Damals verhinderte die Angst vor einem neuen Terroranschlag jeden vernünftigen Gedanken. Rechtsstaatliche Bedenken wurden leichthin zur Seite geschoben. Die Republikaner werden Obama vorwerfen, er setze die Sicherheit des Landes aufs Spiel. Das hat der frühere Vizepräsident Dick Cheney bereits im Frühjahr getan. Nun dürfte daraus eine massive Kampagne werden.

Dennoch kann es keine Alternative zu einer Aufarbeitung der Vorgänge in den Gefängnissen der CIA geben. Was dort geschah, war schlicht unrecht und nicht mit den Prinzipien amerikanischer Rechtsstaatlichkeit und dem im Land tiefverwurzelten Bewusstsein für Menschenwürde in Einklang zu bringen. Die logische Konsequenz dieser Ermittlungen wird sein, dass ebenfalls diejenigen zur Rechenschaft gezogen werden, die Misshandlung und Folter zugelassen, gerechtfertigt oder gar in Auftrag gegeben haben: George W. Bush und sein Vize Dick Cheney sind es, die zu verantworten haben, dass Amerika Anstand und Ansehen verloren hat.

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SZ vom 26.08.2009
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