Süddeutsche Zeitung

US-Delegation in Tianjin:China wirft USA "Dämonisierung und Stimmungsmache" vor

Lesezeit: 2 min

Es gibt "ernsthaften Schwierigkeiten" zwischen beiden Staaten: Peking kritisiert Washington beim Besuch von US-Vize-Außenministerin Sherman scharf - und fordert die US-Regierung auf, ihren Kurs zu ändern.

Von Lea Sahay, Qingdao

Bei einem zweitägigen Besuch der stellvertretenden US-Außenministerin Wendy Sherman am Sonntag und Montag in Tianjin hat der chinesische Vize-Außenminister Xie Feng eine Warnung an die USA gerichtet. In einem am Montag veröffentlichten Statement forderte Xie die Vereinigten Staaten auf, "ihre höchst fehlgeleitete Denkweise und gefährliche Politik zu ändern". Es scheine eine Kampagne im Gange zu sein, um China zu Fall zu bringen. Die USA sollten die "Dämonisierung und Stimmungsmache gegen die Volksrepublik beenden".

China sei in den Köpfen der Amerikaner zu einem "imaginären Feind" geworden. Die USA wollen aus Sicht des Vize-Außenministers möglicherweise durch die "Dämonisierung" der Volksrepublik von ihren eigenen strukturellen Problemen ablenken. Die Beziehungen beider Staaten seien in "ernsthaften Schwierigkeiten", sie befänden sich im Stillstand. Das chinesische Volk beobachte die Dinge mit weit offenen Augen und sehe einen Versuch, China einzudämmen und zu unterdrücken.

Sherman war unter anderem für Gespräche mit Außenminister Wang Yi in die Stadt im Nordosten Chinas gereist. Sie ist die bisher ranghöchste Vertreterin der US-Regierung, die sechs Monate nach Amtsantritt von Präsident Joe Biden das Land besuchte. Es war das erste Zusammentreffen seit dem frostigen Gipfel im März in Alaska, bei dem sich hochrangige Vertreter beider Staaten einen heftigen Schlagabtausch geliefert hatten. US-Außenminister Antony Blinken hatte die Frage des Umgangs mit Peking damals als den "größten geopolitischen Test des 21. Jahrhunderts" bezeichnet. Bei einem Auftritt in Ohio vor ein paar Tagen erklärte Biden, sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping glaube wirklich, Demokratien könnten im 21. Jahrhundert nicht funktionieren, weshalb Autokratien ihnen überlegen seien.

Eine Reaktion der US-Seite zu den Äußerungen des chinesischen Vize-Außenministers lag am Montagabend noch nicht vor. Zu dem Treffen hieß es lediglich in einer Erklärung des US-Außenministeriums, Sherman habe "Bedenken über eine Reihe von Aktionen der Volksrepublik China geäußert, die unseren Werten und Interessen sowie denen unserer Verbündeten und Partner zuwiderlaufen und die internationale, auf Regeln basierende Ordnung untergraben".

Diskutiert werden sollte in Tianjin laut Berichten auch ein mögliches Treffen von Biden und Chinas Staatschef Xi beim G20-Gipfel im Oktober. Dies wäre das erste Zusammentreffen der beiden Staatsführer seit dem Amtsantritt des US-Präsidenten.

Das Verhalten der chinesischen Seite am Montag deutet nicht auf eine vorzeitige Entspannung in den Beziehungen hin, die in den vergangenen Monaten einen neuen Tiefpunkt erreicht haben. Beide Länder streiten sich über zahlreiche Themen von Handelskonflikten bis zu Menschenrechtsfragen und den Gebietsansprüchen Pekings im Südchinesischen Meer. Verärgerung von US-Seite gibt es auch darüber, dass Peking keine weitere Delegation der Weltgesundheitsorganisation ins Land lassen will, die den Ursprung des Coronavirus untersuchen soll.

Peking wirft USA "Kalter-Krieg-Mentalität" vor

Als Vergeltung für US-Strafmaßnahmen gegen Repräsentanten von Peking in Hongkong und für eine US-Warnung vor Risiken für Unternehmen in Chinas Sonderverwaltungszone hatte Peking erst kürzlich Sanktionen gegen sieben Personen und Institutionen in den Vereinigten Staaten verhängt. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums betonte, Hongkong sei eine innere Angelegenheit Chinas und niemand solle sich einmischen. Vor mehr als einem Jahr hatte Peking ein nationales Sicherheitsgesetz erlassen, das der Stadt faktisch seine Teilautonomie entriss.

In Tokio hatte sich Sherman vergangene Woche mit japanischen und südkoreanischen Vertretern getroffen, um unter anderem über die angespannte Situation in der Taiwan-Straße zu sprechen. China hat in den vergangenen Monaten den militärischen Druck auf die Demokratie vor seiner Küste massiv ausgeweitet. Peking erhebt Anspruch auf die Insel.

Das chinesische Außenministerium reagierte wütend auf das Treffen, sprach von "Kalter-Krieg-Mentalität" und warf den USA vor, eine Konfrontation zu provozieren. Zuvor hatte Washington der Volksrepublik wiederum vorgehalten, mithilfe von Hackerangriffen im großen Stil Informationen und Technologien aus den Vereinigten Staaten zu stehlen.

(Mit Material von dpa)

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5364139
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.