Süddeutsche Zeitung

CDU:Immer mit der Ruhe

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Merz - oder doch lieber Röttgen? Oder gar Braun? Zwei Wochen lang haben 400 000 CDU-Mitglieder nun Zeit, darüber zu befinden, wen sie an der Spitze der Partei sehen wollen.

Von Robert Roßmann, Berlin

Eines kann man der CDU in diesen Wochen sicher nicht vorwerfen: dass sie überhastet Entscheidungen trifft. Mehr als zwei Monate ist die Bundestagswahl nun schon vorbei. SPD, FDP und Grüne haben sich zu einer Ampel-Koalition zusammengefunden, Angela Merkel wurde mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet. Und die Pandemie hat das Land wieder fest im Griff. Aber bei der CDU ist immer noch alles beim Alten. Ralph Brinkhaus wurde als Fraktionschef im Amt bestätigt. Und Armin Laschet ist trotz der verheerenden Wahlniederlage noch Parteivorsitzender. Die CDU zu beobachten, das war in den vergangenen Wochen ein Entschleunigungsprogramm.

An diesem Samstag beginnt nun wenigstens die Befragung über den nächsten CDU-Vorsitzenden. Zwei Wochen lang können die 400 000 CDU-Mitglieder darüber abstimmen, ob sie Friedrich Merz, Norbert Röttgen oder Helge Braun an der Spitze der Partei sehen wollen. Das Ergebnis soll am 17. Dezember mitgeteilt werden.

Die Mitgliederbefragung sei "ein Mobilisierungsschub und eine große Chance zum Aufbruch", sagt Generalsekretär Paul Ziemiak. Was man halt so sagt, wenn man als Generalsekretär eine missliche Lage schönreden muss. Denn die Befragung gibt es ja nur, weil die Parteiführung im Streit um die Kanzlerkandidatur das Vertrauen eines großen Teils der Basis verloren hat.

In der CDU-Zentrale gehen sie davon aus, dass die Wahlbeteiligung bei mehr als 50 Prozent liegen wird. Außerdem freut sich Ziemiak über einen vierstelligen Zuwachs an Mitgliedern, genau kann man das wegen der langen Meldewege von den Kreisverbänden in die Bundesspitze noch nicht sagen. Aber es scheint tatsächlich eine erkleckliche Zahl an Menschen zu geben, die in die CDU eintreten, um Merz, Braun oder Röttgen wählen zu können. Wer am Ende das Rennen machen wird, ist immer noch unklar. Merz gelte zwar als Favorit, Röttgen habe aber aufgeholt, heißt es allenthalben. Durch die überraschende Kandidatur von Braun sei die Lage noch unübersichtlicher geworden.

Geklärt hat sich inzwischen aber, mit welchen Teams die drei Kandidaten antreten. Dabei hat es durchaus Überraschungen gegeben. Merz ist es gelungen, Carsten Linnemann in seine Mannschaft zu holen. Der Chef des Wirtschaftsflügels galt selbst als möglicher Kandidat für den Vorsitz. Wenn es nach Merz geht, soll er jetzt stellvertretender Parteichef und Vorsitzender einer Programm- und Grundsatzkommission werden. Merz hat aber auch mit der Auswahl seines Generalsekretärskandidaten Mario Czaja überrascht. Der ehemalige Berliner Sozialsenator hat bei der Bundestagswahl im Osten Berlins den Linken einen Wahlkreis abgenommen. Czaja ist, wenn auch erst kurz, Mitglied des Arbeitnehmerflügels. Um die anstehenden Landtagswahlen gewinnen zu können, müsse man das Thema soziale Gerechtigkeit stärker in den Fokus rücken, sagt Merz. Mit der Auswahl von Czaja zeigt der frühere Blackrock-Mann, dass er verstanden hat, dass die CDU mit einem ausschließlich wirtschaftsliberalen und konservativen Profil keinen Erfolg haben wird.

Braun und Röttgen setzen - anders als Merz - auf eine Generalsekretärin. Braun tritt mit der früheren nordrhein-westfälischen Integrationsstaatsekretärin Serap Güler an. Röttgen wünscht sich die Hamburger Bundestagsabgeordnete Franziska Hoppermann als Generalsekretärin. Aber auch Braun und Röttgen haben in ihren Bewerbungen die Bedeutung der Sozialpolitik deutlich stärker betont als die CDU im Wahlkampf. Röttgen lässt sich zum Beispiel von Dennis Radtke, dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden des Arbeitnehmerflügels, unterstützen. "Wir müssen die soziale Flanke schließen", sagt Radtke der Süddeutschen Zeitung. Mit einem einfachen "Copy-and-Paste der Positionspapiere von Arbeitgeberverbänden" könne die CDU keine Wahl gewinnen. Das seien übrigens "die gleichen Verbände, die die CDU nun im Regen stehen lassen und die Ampel bejubeln".

Carsten Linnemann, der für Merz das Programm der CDU neu ausrichten soll, setzt den Schwerpunkt anders. "Einer der Gründe, warum wir die Wahl verloren haben, ist, dass wir keine klare Erkennungsmelodie mehr haben", sagt Linnemann der SZ. Das Fundament der CDU sei zwar klar: die soziale Marktwirtschaft und die christliche Soziallehre. "Aber was daraus konkret folgt, wissen wir oft nicht mehr: Was sind unsere gesellschaftspolitischen Positionen, wie wollen wir die Sozialversicherungen finanzieren, was ist unser Rentenkonzept, wie müssen wir mit der neuen Supermacht China umgehen?" All diese Fragen müsse die Partei jetzt klären. Er wolle dazu auch "Experten von außen holen, die uns den Spiegel vorhalten", sagt Linnemann. Denn man habe "zu lange im eigenen Saft geschmort, wir brauchen auch Gehirnschmalz von außen".

Doch vorher muss erst einmal klar sein, wer der neue CDU-Chef wird. Und wenn die Partei Pech hat, ist das selbst am 17. Dezember noch nicht entschieden. Wenn keiner der drei Bewerber bei der Mitgliederbefragung über die 50-Prozent-Marke kommt, wird eine Stichwahl nötig. Und deren Ergebnis würde dann erst am 14. Januar feststehen.

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