Süddeutsche Zeitung

Indien und USA:Die indische Zwickmühle

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Die Regierung in Delhi hätte gerne beides: Geschäfte mit Russland und Freundschaft mit den USA. Doch das Gipfeltreffen von Premier Modi und Präsident Biden zeigt: Das wird zunehmend schwierig.

Von David Pfeifer, Delhi

Es war nur ein virtuelles Treffen zwischen dem indischen Premierminister Narendra Modi und dem US-Präsidenten Joe Biden, das am Montag stattgefunden hat. Trotzdem war es ein Höhepunkt der diplomatischen Besuchswochen in Delhi. Es ging, natürlich, wieder um die Energiegeschäfte, die Indien derzeit mit Russland betreibt.

"Präsident Biden wird unsere engen Konsultationen über die Folgen von Russlands brutalem Krieg gegen die Ukraine und die Abschwächung seiner destabilisierenden Auswirkungen auf die weltweite Lebensmittelversorgung und die Rohstoffmärkte fortsetzen", gab Pressesprecherin Jen Psaki am Sonntag in Washington in einer Erklärung vor dem Gespräch bekannt. Es fand wenige Tage nach dem Besuch des russischen Außenministers Sergej Lawrow statt, bei dem umfangreiche wirtschaftliche Deals beschlossen worden waren. In Delhi freut man sich üblicherweise über Aufmerksamkeit aus den USA und dem Rest der Welt. So gesehen waren die letzten Wochen zufriedenstellend, denn so viele westliche Diplomaten waren selten in so kurzer Zeit in der Stadt, um Indien in die eigenen Reihen zu locken.

Delhi versucht in der Russland-Frage neutral aufzutreten, was zunehmend schwierig wird. Zumal man mit den USA den Schulterschluss sucht, wenn es darum geht, China entgegenzutreten. Von Russlands Rüstungslieferungen allerdings ist Delhi mindestens so abhängig wie Europa von russischem Gas. Indien und China stehen sich seit zwei Jahren feindlich im Himalaja gegenüber. Beide Riesenländer haben dort je 100 000 Soldaten im Gebirge stationiert, die Waffen aus Russland werden auch für diesen Konflikt gebraucht. Delhi hätte sich in der Vergangenheit mehr Einflussnahme des Westens gewünscht, was die Verhandlungen mit China angeht, das in der Region zunehmend aggressiv auftritt.

Indien ist der drittgrößte Ölimporteur der Welt

Daleep Singh, stellvertretender US-Sicherheitsberater für internationale Wirtschaft, der als Architekt der internationalen Sanktionen gegen Moskau gilt, war kurz vor Lawrow in Delhi gewesen. Nach den Gesprächen hatte er gesagt, dass es keine "roten Linien" für Energieimporte gebe, man wolle aber auch keine "schnelle Beschleunigung" der Käufe sehen. Indien ist der drittgrößte Ölimporteur und Ölverbraucher der Welt und hat seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine laut Reuters mindestens 13 Millionen Barrel russisches Rohöl gekauft. Im Vergleich dazu waren es im gesamten vergangenen Jahr etwa 16 Millionen Barrel gewesen. Die Versuchung liegt nah, sich zu Niedrigpreisen einzudecken. Zumal Indien versucht, die eigene Wirtschaft wieder anzukurbeln - und selbst gerade Treibstoff an den kleinen Nachbarn Sri Lanka geliefert hat, der unter einer Energiekrise leidet.

Das Gespräch zwischen Modi und Biden sollte nun die Grundlage liefern für die "2 + 2"-Gespräche zwischen den USA und Indien. US-Außenminister Antony Blinken, US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sind mit ihren indischen Gegenübern, Verteidigungsminister Rajnath Singh und Außenminister Subrahmanyam Jaishankar, zu Konsultationen verabredet. Jaishankar, der als Botschafter früher in Washington und in China stationiert war, wird vermutlich darauf drängen, den großen Rahmen im Blick zu behalten.

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