Süddeutsche Zeitung

Nordafrika:Baerbock repariert Beziehung zu Marokko

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Die deutsche Außenministerin besucht Rabat, würdigt aber auch die Rolle der Vereinten Nationen im Umgang mit der Westsahara.

Von Paul-Anton Krüger, Rabat

Punkt 59, der letzte in der gemeinsamen deutsch-marokkanischen Erklärung, wäre eigentlich keiner Erwähnung wert. Dort betonen Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Nasser Bourita, ihr marokkanischer Kollege, die "freundschaftliche und konstruktive Atmosphäre ihres Treffens" am Donnerstag in Rabat. Für die Beziehungen zwischen den beiden Ländern allerdings galt das länger nicht: Im März 2021 hatte Bourita dazu aufgerufen, jede Zusammenarbeit mit deutschen Institutionen zu beenden, holte später sogar die Botschafterin des Königreichs aus Berlin zurück. Das Verhältnis mit dem nordafrikanischen Land war am Tiefpunkt.

Mit Baerbocks Reise nun sollen wieder bessere Beziehungen hergestellt werden. "Liebe Kollegin Annalena", begrüßt Bourita sie auf Deutsch. "Ihr Besuch heute in Rabat ist sehr wichtig." Einen "multidimensionalen strategischen Dialog" haben die beiden vereinbart. Großes Potenzial sieht die Bundesregierung für Zusammenarbeit bei erneuerbaren Energien, bei grünem Wasserstoff, bei Handel und Investitionen, aber auch in Fragen der Sicherheit, der regionalen Stabilität und der Terrorismusbekämpfung. Das teilt die marokkanische Seite.

Allerdings hatte König Mohammed VI. erst am Wochenende klargestellt, was für ihn das zentrale außenpolitische Thema bleibt: "Die Sahara-Frage ist das Prisma, durch das Marokko seine internationale Umgebung sieht." Die Haltung dazu sei der "klare und einfache Maßstab" für die Freundschaft zu anderen Staaten. Das Thema war - mutmaßlich - der Grund für den Bruch in den Beziehungen, auch wenn es offiziell nie genannt wurde; es gab auch noch andere Verstimmungen.

Im Dezember 2020 hatte der damalige US-Präsident Donald Trump im Gegenzug für die Anerkennung Israels durch Marokko den seit Jahrzehnten von Rabat erhobenen Anspruch auf die Westsahara anerkannt. Deutschland, damals nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat, beharrte auf dem von den Vereinten Nationen geführten Verhandlungsprozess, um den Status der früheren spanischen Kolonie zu klären.

Baerbock besänftigte Marokko schon kurz nach Amtsantritt

Baerbock gelang es bereits kurz nach Amtsantritt, Marokko zu besänftigen, nachdem zuvor schon Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den König zum Staatsbesuch eingeladen hatte. Sie lobte das Land auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes als "zentralen Partner der Europäischen Union und Deutschlands in Nordafrika" und würdigte Marokkos Autonomieplan für die Westsahara als "wichtigen Beitrag". Woraufhin Rabat den Boykott beendete, ohne dass Deutschland substanziell seine Position verändert hatte.

In Rabat unterstrich Baerbock Deutschlands Unterstützung für den UN-geführten Prozess und den Sondergesandten Staffan de Mistura, um eine gerechte, für alle Seiten annehmbare politische Lösung herbeizuführen. Bourita betonte, es gebe keinen Widerspruch zwischen dem von Marokko 2007 vorgelegten Autonomieplan und einer Schlüsselrolle der UN, er begrüße die deutsche Haltung. Die Spannungen zwischen Marokko und der für eine Unabhängigkeit kämpfenden Polisario, die von Algerien unterstützt wird, sind allerdings weiter hoch.

Ausführlich tauschten sich Baerbock und Bourita auch zur Lage in Mali aus. Marokkos Sicht sei, dass die Sahel-Region stabil werden müsse, das komme nicht nur den Ländern dort zugute, sondern ganz Nordafrika, der Mittelmeerregion und Europa. Deutschlands Rolle sei wichtig für die UN-Mission Minusma. Baerbock wirbt in der Bundesregierung für einen solchen breiteren Blick auf die geostrategische Lage und die Folgen eines möglichen deutschen Abzugs, gerade wegen der wachsenden russischen Präsenz. Schukran, bedankt sie sich und verbindet das mit der Hoffnung, beim Mittagessen noch ein paar arabische Worte aufzuschnappen.

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