Süddeutsche Zeitung

Außenministertreffen in Brüssel:Österreich will EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei blockieren

Lesezeit: 1 min

In der Europäischen Union zeichnet sich ein Veto gegen die Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ab. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) kündigte vor dem Außenministertreffen an diesem Montag in Brüssel an, er wolle die geplante Weiterführung der EU-Beitrittsgespräche blockieren. Er habe sich eng mit den Niederlanden und Bulgarien abgestimmt.

Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur APA begründete Österreichs Außenminister Kurz seine Blockade-Absicht mit den aktuellen Entwicklungen in der Türkei: "Andersdenkende werden eingeschüchtert, Oppositionspolitiker eingesperrt, die Todesstrafe soll eingeführt werden. Es braucht hier eine klare Reaktion der Europäischen Union." Dass ein Einfrieren der Verhandlungen den Flüchtlingsdeal zwischen der EU und Türkei gefährden könnte, darf Kurz zufolge keine Rolle spielen.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hält dagegen eine Blockade für falsch. "Es lohnt sich vor allem wegen der Menschen, mit dem Land im Gespräch zu bleiben", sagte Juncker der Welt am Sonntag. Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, sprach sich ebenfalls gegen einen Abbruch der EU-Beitrittsgespräche aus. Die Entscheidung im Außenministerrat muss einstimmig fallen. "Wir sollten daran arbeiten, dass sich die Türkei wieder auf die Europäische Union zubewegt und sich nicht mit Riesenschritten noch weiter entfernt", sagte Juncker.

"Sprachlosigkeit hat noch nie weiter geführt"

Sollte die Türkei wieder auf einen Kurs in Richtung Europa zurückfinden und die notwendigen Reformen in Politik, Wirtschaft und Justiz durchführen, dann sei ein EU-Beitritt bis zum Jahr 2023 durchaus möglich, sagte Juncker. "Aber im Moment sieht es nicht so aus, im Gegenteil."

Das Europaparlament hatte mit großer Mehrheit gefordert, die Beitrittsgespräche mit der Türkei ganz auf Eis zu legen. Die EU-Abgeordneten verlangten von der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten, nicht weiter mit Ankara über offene Verhandlungskapitel zu sprechen und keine neuen zu eröffnen. Rechtlich bindend ist die Aufforderung nicht. Darüber entscheiden die EU-Staats- und Regierungschef.

Deutschland will die Beitrittsgespräche nicht abbrechen, aber unter den derzeitigen Umständen auch keine neuen Verhandlungskapitel eröffnen. Parlamentspräsident Schulz sagte in der Montagsausgabe der Bild-Zeitung, dass die politische Entwicklung der Türkei "besorgniserregend" sei. Ein Abbruch der Verhandlungen könne aber zu einer weiteren Eskalation führen. "Denn Sprachlosigkeit hat noch nie weiter geführt."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3290346
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/dpa
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.