Süddeutsche Zeitung

Right Livelihood Award:Alternativer Nobelpreis geht in die Ukraine

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Den Award "für die Gestaltung einer besseren Welt" erhält die Juristin Oleksandra Matwijtschuk, die in ihrer Heimat Kriegsverbrechen dokumentiert. Auch Aktivisten in Somalia, Uganda und Venezuela werden ausgezeichnet.

Von Kai Strittmatter, Stockholm

In Stockholm sind Donnerstagfrüh die vier diesjährigen Preisträger des Right Livelihood Award bekannt gegeben worden, der auch als "alternativer Nobelpreis" oder Auszeichnung "für die Gestaltung einer besseren Welt" bekannt ist. Prämiert wird die Juristin und Menschenrechtlerin Oleksandra Matwijtschuk aus der Ukraine, die sich als Vorsitzende der Organisation Center for Civil Liberties (CCL) zurzeit der Dokumentierung von Kriegsverbrechen widmet.

Ein weiterer Award geht an Fartuun Adan und Ilwad Elman aus Somalia, die Mutter und ihre Tochter arbeiten für die Resozialisierung ehemaliger Kindersoldaten. Den Preis erhalten zudem das Africa Institute for Energy Governance, das ausbeuterische Energieprojekte in Uganda bekämpft, und das Kollektiv Cecosesola, das in armen Regionen Venezuelas ein Genossenschaftsnetzwerk aufgebaut hat. Verliehen werden die Auszeichnungen am 30. November in Stockholm.

"Praktische Visionäre" nennt Ole von Uexküll, Direktor der Right-Livelihood-Stiftung, die Preisträger. Sie zeigten, wie man "im Angesicht des Versagens von Regierungen und des Zusammenbruchs bestehender Ordnungen" überall in der Welt an einem längst notwendigen Systemwandel arbeiten könne. Ausgewählt wurden sie aus 175 Nominierten.

Nicht Elon Musk oder Mark Zuckerberg geben den Weg vor

"Unsere Jury glaubt nicht, dass es die Elon Musks und Jeff Bezos' und Mark Zuckerbergs dieser Welt sind, die uns einen Ausweg zeigen", sagte Uexküll im Vorfeld der Bekanntgabe. Stattdessen zeichne die Stiftung Menschen aus, die die großen Krisen der Welt am eigenen Leibe erfahren hätten und mit ihrer Arbeit die "Botschaft der Hoffnung" vermitteln, "dass man nicht machtlos sein muss".

Der Right Livelihood Award geht auf den schwedisch-deutschen Philanthropen und Briefmarkensammler Jakob von Uexküll zurück, den Onkel des heutigen Direktors. Bevor er 1980 seine Stiftung gründete, für die er wertvolle Briefmarken verkaufte, war Jakob von Uexküll daran gescheitert, die Nobelstiftung zur Verleihung eines Umweltpreises zu bewegen. Seine Einrichtung versteht sich als "Megafon und Schutzschild", neben der weltweiten Aufmerksamkeit will sie den Preisträgern ein Netzwerk bieten. Zu den früheren Preisträgern zählen der Whistleblower Edward Snowden und die Klimaaktivistin Greta Thunberg.

Die diesjährige ukrainische Preisträgerin Oleksandra Matwijtschuk und das 2007 gegründete CCL kämpfen seit vielen Jahren für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in ihrem Heimatland. CCL dokumentierte 2013 die Menschenrechtsverletzungen bei den Euromaidan-Protesten in Kiew und schickte nach der russischen Besetzung der Krim und des Donbass im Jahr 2014 Beobachter, die vor Ort Listen der politischen Gefangenen erstellten.

Krieg, Klima, Landraub - das sind die Themen der Preisträger

Matwijtschuk, 38, ist studierte Juristin und drängt die Regierung der Ukraine seit Langem dazu, heimische Gesetze dem internationalen Recht anzupassen und das Land zum Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofs zu machen. Seit Beginn der russischen Invasion in die Ukraine stellt CCL Teams zusammen, die Kriegsverbrechen in Städten wie Butscha und Irpin dokumentieren und politische Gefangene sowie zivile Geiseln auflisten.

Die somalischen Preisträgerinnen Fartuun Adan und ihre Tochter Ilwad Elman führen mit ihrer Organisation Elman Peace die Arbeit von Ehemann und Vater Elman Ali Ahmed fort, der 1996 getötet wurde. Sie kümmern sich um die Rehabilitierung und psychosoziale Betreuung früherer Kindersoldaten, denen auch Ausbildungs- und Arbeitsplätze angeboten werden. Das Modell ist bereits in andere afrikanische Länder exportiert worden.

Das ebenfalls ausgezeichnete Africa Institute for Energy Governance kämpft in Uganda für Klimagerechtigkeit sowie gegen Landraub und Vertreibung durch den Bau von Öl-Pipelines. Immer wieder werden Mitarbeiter des Instituts bedroht und inhaftiert. Das venezolanische Genossenschaftsnetzwerk Cecosesola wird dafür prämiert, mehr als 100 000 benachteiligten Familien erschwingliche Waren und Dienstleistungen anzubieten. Die Organisation ist bereits 55 Jahre alt, sie betreibt Lebensmittelmärkte, Kreditinstitute und sogar genossenschaftlich organisierte Bestattungsunternehmen.

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