Süddeutsche Zeitung

Britische Royals:Königliches Seuchenjahr

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Brexit, Megxit, Corgi- und Corona-Blues: Das Jahr 2020 war für die Queen ähnlich schmerzhaft wie 1992, ihr bisheriges "Annus horribilis".

Von Alexander Menden

Als "Annus horribilis" bezeichnete Königin Elizabeth II. bekanntlich das Jahr 1992. Ihr Sohn Andrew und ihre Tochter Anne trennten sich damals von ihren Ehepartnern, auch die Risse in der Ehe von Charles und Diana waren nicht mehr zu verheimlichen. Zudem wuchs der öffentliche Druck auf die Queen, Einkommensteuer zu zahlen, von deren Entrichtung sie bis dahin ausgenommen gewesen war - im folgenden Februar gab sie nach. Und dann brach im November in Windsor Castle auch noch ein verheerender Brand aus. Mit einer für ihre Verhältnisse schockierenden Offenheit verriet die Queen, sie werde nicht "mit ungeteilter Freude" auf dieses Jahr zurückblicken.

Ob Ihre Majestät das sich nun seinem Ende zuneigende Jahr 2020 ebenfalls so kategorisiert, ist nicht offiziell bekannt. Sie hätte jedenfalls Grund dazu. Obwohl sie nie direkt öffentlich eine Meinung über die Arbeit der britischen Regierung äußert, dürfte die Art, wie Premier Boris Johnson sich sowohl in der Corona-Pandemie als auch in den Brexit-Verhandlungen schlägt, bei einer Frau mit ihrer jahrzehntelangen politischen Erfahrung kaum helle Freude ausgelöst haben. Immerhin sah sie sich im vergangenen April dazu veranlasst, eine außerplanmäßige Fernsehansprache an die Nation zu halten, in der sie dazu aufrief, der Situation mit einem "Blitz Spirit" zu begegnen. Sie unterstrich damit ihre nationale Rolle als Inkarnation stoisch gelebten Durchhaltewillens.

Doch auch jenseits solchen alle Menschen gleichermaßen betreffenden Ungemachs hielt 2020 nur wenig Angenehmes für Elizabeth bereit. Willow, der letzte ihrer berühmten Corgis, war bereits vor zwei Jahren dahingeschieden. Sie hatte sich damals entschlossen, kein weiteres Exemplar ihrer Lieblingshunderasse anzuschaffen, weil sie den Tieren die Trauer ersparen wollte, sollten sie ihr royales Frauchen überleben. Nun ist auch Vulcan gestorben, einer von zwei verbliebenen "Dorgis" (einer Mischung aus Corgi und Dackel). Nur ein einziger Dorgi namens Candi ist noch übrig.

Prinz Andrew befand sich derweil weiterhin im Fokus von Ermittlungen im Missbrauchsskandal rund um den US-Geschäftsmann und verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein. Nach einem desaströsen Selbstrechtfertigungs-Interview mit der BBC im November 2019 waren zur Schadensbegrenzung "bis auf Weiteres" alle öffentlichen Auftritte des nun 60-Jährigen abgesagt worden. Epstein, der sich in seiner Haftzelle das Leben nahm, soll minderjährige Mädchen missbraucht und zur Prostitution gezwungen haben. Eine von ihnen, die Amerikanerin Virginia Giuffre, beschuldigt auch Prinz Andrew des Missbrauchs. Er wies diese Vorwürfe zurück und behauptet, sich bei den Ermittlungen kooperativ verhalten zu haben.

Ähnlich schwer wog der - freiwillige - De-facto-Ausstieg des Enkels Prinz Harry aus der Royal Family. Im Frühjahr hatten sich Harry und seine Frau Meghan von allen offiziellen Pflichten der Windsors verabschiedet. Harrys scharfe Kritik an dem Rassismus, mit dem die britische Presse seiner Frau begegnet war, gipfelte im Wegzug der beiden aus dem Vereinigten Königreich. Wie üblich wurde das alles zusätzlich von diversen inoffiziellen Publikationen begleitet: Im August etwa kam "Finding Freedom" heraus, die Beschreibung der zunehmenden Spannungen zwischen dem Herzogspaar und der übrigen britischen Königsfamilie durch das amerikanische Autoren-Duo Carolyn Durrand und Omid Scobie.

In der Zwischenzeit haben Harry und Meghan einen lukrativen Produktionsvertrag mit Netflix abgeschlossen. Der Streamingdienst verursacht dem Vernehmen nach mit seiner Serie "The Crown" ebenfalls Ärger im Hause Windsor: Die jüngste Staffel hat laut Daily Telegraph mit ihrer Darstellung der Ehe von Prince Charles und Prinzessin Diana Empörung am Hof ausgelöst. Offizielle Kommentare gibt es wie üblich nicht, aber der Telegraph zitiert eine anonyme Quelle aus dem Umfeld der Windsors mit der Aussage, die Familie sei "unglaublich frustriert und wütend", dass Charles' Name "durch den Dreck gezogen" werde. Charles selbst schaut sich die Serie dem Vernehmen nach nicht an.

Und auch die "Royal Tour" von Prinz William und seiner Frau Catherine verlief etwas weniger erfolgreich als geplant. Der Herzog und die Herzogin von Cambridge hatten am vergangenen Montag eine Zugreise durch Großbritannien im "Royal Train" angetreten, um landesweit die Moral zu stärken. Das Paar wollte den Menschen "an der Front" für ihre Leistungen während der Pandemie danken. Allerdings gerieten sie durch diese gut gemeinte Aktion in Konflikt mit diversen Lockdown-Regeln, die unter anderem besagen, dass alle nicht unbedingt notwendigen Reisen zu unterlassen seien. Die Tour durch England, Schottland und Wales erweckte den Eindruck, dass diese Regeln nur für Untertanen gelten.

Nachdem Downing Street sich zu der Reise erst einmal gar nicht geäußert hatte, ließ Premierminister Johnson dann verlautbaren, die Reise sei sehr wichtig gewesen, und das Paar sei "herzlich empfangen" worden. Tatsächlich waren die Reaktionen allenfalls gemischt. Sowohl Nicola Sturgeon, Schottlands Erste Ministerin, als auch der walisische Gesundheitsminister Vaughan Gething zeigten sich höflich kühl und ließen durchscheinen, dass sie die Tour für wenig sinnvoll und keinesfalls notwendig hielten. Sturgeon hatte wohl sogar vor dem Aufbruch der beiden darauf hingewiesen, dass die coronahalber verhängten Restriktionen beim Grenzübertritt zwischen England und Schottland ausnahmslos für alle gelten. Wenigstens entstanden im Laufe der Fahrt einige der bizarreren Bilder, die bisher von Royals bei offiziellen Anlässen gemacht wurden: Sie zeigen das Paar auf menschenleeren Bahnsteigen, stets mit Mund-Nasen-Schutz bewehrt.

Für die Queen wird das Jahr sehr ruhig enden: Statt wie sonst die Weihnachtstage mit der Familie auf Schloss Sandringham zu verbringen, wird sie mit ihrem Mann Philip in Windsor Castle feiern. Kleiner Silberstreif: Da die 94-Jährige und ihr 99-jähriger Gatte beide zur Risikogruppe gehören, werden sie zu den Ersten gehören, denen die Corona-Impfung verabreicht wird.

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