Süddeutsche Zeitung

Brände am Mittelmeer:Die Rettungskräfte stehen unter enormem Druck

Lesezeit: 4 min

Mindestens 60 000 Hektar Fläche sind bisher in Griechenland verbrannt. Zwar gibt es im Norden Athens aktuell nur noch zwei Feuerfronten, doch auf dem Peloponnes und auf Euböa toben weiterhin große Brände. Auch auf Sardinien eskaliert die Situation wieder.

Bei den Feuern in Griechenland sind nach ersten Schätzungen bisher mindestens 60 000 Hektar oder 600 Quadratkilometer Fläche verbrannt. Das berichtete am Samstag der staatliche Sender ERT unter Berufung auf das Nationale Observatorium Athen. Es wurde darauf verwiesen, dass es sich lediglich um vorläufige Schätzungen handelt, weil viele Brände vor allem auf der Halbinsel Peloponnes und der Insel Euböa weiterhin unkontrolliert wüten.

Immerhin: Im Norden der griechischen Hauptstadt konnten die Brände am Samstag teilweise eingedämmt werden. "Erstmals können wir sagen, dass die Situation etwas besser ist - es gibt aktuell nur noch zwei Feuerfronten", sagte Nikos Peppas, Vize-Gouverneur der Region Attika, am Mittag dem Fernsehsender Skai. Es bestehe Hoffnung, die Brände bis zum Abend unter Kontrolle zu bringen. "Die vergangene Nacht war wirklich die Hölle, ein Alptraum. Wir haben gewaltige Anstrengungen unternommen, damit das Feuer nicht auf bewohntes Gebiet übergreift", sagte Pappas.

Über Nacht hatten starke Winde die Flammen in die Stadt Thrakomakedones gedrückt, wo etliche Häuser niederbrannten. Vor dem Brand auf dem Berg Parnitha am Stadtrand Athens waren seit Donnerstag Tausende Menschen geflohen. Die Brandkatastrophe bringt zudem der Millionenmetropole gefährliche Luft. Die starke Rauchbildung ist in der ganzen Stadt zu riechen. "Schließen Sie alle Fenster und gehen Sie nicht aus dem Haus", riefen die Behörden die Einwohner auf. Drei mutmaßliche Brandstifter wurden offenbar festgenommen. In einem Vorort der Hauptstadt wurde ein 38-Jähriger durch einen umstürzenden Strommast getötet.

Die Rettungskräfte stehen unterdessen unter enormem Druck, denn auf der Halbinsel Peloponnes und der Insel Euböa toben weiterhin zahlreiche unkontrollierte, große Brände. Sie wurden bisher kaum aus der Luft bekämpft, weil Athen im Fokus stand. Auch Kreta weit im Süden des Landes und Städte wie Grevena hoch im Norden sind von den seit Tagen nach langer Hitze und Trockenheit ausgebrochenen Bränden betroffen.

Nun kommt auch Hilfe aus Deutschland

Auf der Insel Euböa in der Nähe von Athen brachte die Küstenwache in der Nacht Hunderte Menschen mit Booten in Sicherheit, da sich die vom Wind angefachten Waldbrände bis zur Küste ausbreiteten und der Landweg von den Flammen abgeschnitten war. Fanis Spanos, der für Euböa zuständige Gouverneur der Region Mittelgriechenland, setzte am Samstagmorgen über Facebook einen verzweifelten Hilferuf ab. "Das Feuer geht unvermindert weiter, es verbrennt Wälder und zerstört Häuser, es bedroht Menschenleben! Wir wollen endlich eine ernsthafte Anzahl von Löschflugzeugen, die wir seit dem ersten Tag fordern! Und mehr Löschzüge!" Die Feuer könnten nicht alleine mit Bulldozern bekämpft werden, fügte Spanos hinzu. "Wenn wir nichts unternehmen, wird sich das Feuer wirklich überall ausbreiten", warnte er.

Die internationale Hilfe zur Bekämpfung der katastrophalen Brände in Griechenland wächst derweil. Am Morgen erreichte ein Konvoi mit 23 Löschfahrzeugen aus Rumänien die Hauptstadt. Die Rettungskräfte wurden mit Begeisterung von Menschen empfangen, die im Norden der Stadt gegen die Flammen kämpften. Zu den Helfern, die anreisen werden oder bereits im Land sind, gehören nach Angaben des griechischen Zivilschutzes auch 16 israelische und 100 ukrainische Feuerwehrleute ebenso wie 82 Rettungskräfte und zwei Löschflugzeuge aus Frankreich. Aus Zypern sind bereits 40 Feuerwehrleute und zwei Flieger in Griechenland. Die Schweiz schickte drei Löschhelikopter, Schweden ist mit zwei Löschflugzeugen dabei.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte am Samstagmittag der Deutschen Presse-Agentur, Deutschland habe in der vergangenen Nacht aktiv Hilfe angeboten, die Griechenland inzwischen angenommen habe. "Derzeit bereiten sich Feuerwehrkräfte aus NRW, Hessen sowie das Technische Hilfswerk darauf vor, sich zügig mit Einsatzfahrzeugen nach Griechenland zu begeben, um dort die Waldbrandbekämpfung zu unterstützen." Oppositionsparteien im Bundestag hatten zuvor kritisiert, dass Deutschland angesichts zahlreicher Waldbrände bisher keine Hilfe nach Griechenland geschickt hat.

Im südtürkischen Antalya hat sich die Lage inzwischen beruhigt

Auch in der Türkei und auf Sizilien gab es zahlreiche Waldbrände. In der Türkei waren die Feuer vor zehn Tagen in zahlreichen Provinzen ausgebrochen. Weite Flächen Wald, Felder und Dörfer sind seitdem in Flammen aufgegangen, Zehntausende Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden, acht starben.

In den Küstenregionen im Süden und Westen des Landes bedrohen Brände weiterhin zahlreiche Orte. Im westtürkischen Mugla kamen die Einsatzkräfte nicht zur Ruhe, im Bezirk Köycegiz wurden lokalen Behörden zufolge am Freitagabend die ersten Menschen in Sicherheit gebracht. Erneut mussten Feuerwehrkräfte ein Kraftwerk vor den Flammen schützen und brennbares Material wegschaffen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete.

Im südtürkischen Antalya hat sich die Lage inzwischen beruhigt. Dort haben die Brände jedoch große Zerstörung hinterlassen. Ganze Dörfer wurden in Asche gelegt. Die Katastrophenschutzbehörde Afad stellte Container als Notunterkünfte auf. Zugleich wächst die Wut auf die Regierung. Seit Beginn der Brände vergangene Woche wird immer wieder Kritik an deren Krisenmanagement laut.

Sizilien erklärt für sechs Monate Notstand - Brand auf Sardinien

Die Regionalregierung von Sizilien hat wegen der Waldbrände auf der beliebten Urlaubsinsel für sechs Monate den Not- und Krisenfall erklärt. Seit Ende Juli brenne es auf Sizilien, und in den kommenden Wochen herrsche ein permanentes Risiko durch die außergewöhnliche Wetterlage auf Sizilien, begründete Regionalpräsident Nello Musumeci die Entscheidung am Samstag in einer Facebook-Nachricht.

Auf Sardinien meldete die Feuerwehr in der Provinz Oristano am Samstagvormittag einen Brand in einer Unterkunft für Touristen. Die Einsatzkräfte verhinderten nach eigenen Angaben, dass die Flammen auf die umliegende Vegetation übergriffen. Verletzte gab es demnach nicht. In Oristano an der Westküste der Ferieninsel wüteten unlängst zahlreiche Waldbrände und richteten enorme Schäden an.

In Italiens Süden herrschen derzeit Hitze und Trockenheit, die den Feuern immer wieder Vortrieb geben. Hinter vielen Bränden dürfte Brandstiftung stecken. Die Temperaturen liegen teils über 40 Grad Celsius. Der Landwirtschaftsverband Coldiretti sprach vom heißesten Sommer des Jahrzehnts. Sizilien, Kalabrien und Apulien waren zuletzt am stärksten von den Feuern betroffen. Die Feuerwehr meldete zwei Tote aus San Lorenzo an der italienischen Stiefelspitze, die Menschen kamen in den Flammen ums Leben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5375987
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
dpa/Reuters/lala/sosa
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.