Süddeutsche Zeitung

European Championships:Erst mal schauen, was es gratis gibt

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Ob Oberschleißheim, Königsplatz oder Olympiapark: Zum Start der Wettkämpfe halten sich die zahlenden Zuschauer noch zurück - manchen sind die Ticketpreise auch zu hoch.

Von Joachim Mölter

Die Regattastrecke in Oberschleißheim erwachte langsam zum Leben an diesem Donnerstag, dem ersten Wettkampftag der European Championships. Die Ruderer und Ruderinnen waren die ersten, die mit ihren Wettkämpfen begannen, am Morgen um neun Uhr. Vor dem Bootshaus erhielten manche Boote noch den letzten Schliff, auf dem Wasser zogen einige Athleten bereits ihre Bahnen, und auf den Tribünen ließen sich die ersten Zuschauer nieder. Viele waren es zunächst nicht, die Anlage liegt ja doch zu sehr abseits für zufällige Laufkundschaft. "Es ist noch ruhig", sagte der Helfer, der die Besucher an der nahen Bushaltestelle über die vielbefahrene Bundesstraße 471 lotste: "Am Samstag und Sonntag ist sicher mehr los." Dann wird es ernst, dann geht es um Titel und Medaillen.

Der erste Tag von großen Sportveranstaltungen dient für gewöhnlich allen noch zum Warmlaufen, Athleten wie Zuschauern. Auf dem Programm stehen Vorläufe, Vorkämpfe, Qualifikationen, die sind eher etwas fürs Fachpublikum, für Freunde, Verwandte und Bekannte der Teilnehmer. So wie für Noel und Sheila Lambe aus Dublin, die mit zwei weiteren Angehörigen zeitig ihre Plätze in Zielnähe eingenommen und ihre irischen Fähnchen ausgepackt haben. "Wir sind gekommen, um unsere Tochter zu unterstützen", sagt Noel Lambe und fügt stolz hinzu: "Sie hat voriges Jahr bei Olympia schon Bronze gewonnen."

Die Tochter, Eimear Lambe, startet wie 2021 in Tokio wieder im Vierer und diesmal zusätzlich auch im Achter. Für drei Tage Zuschauen und Unterstützen hat ihre Familie insgesamt 380 Euro für Eintrittskarten ausgegeben, "das ist schon teuer", findet Sheila Lambe. Aber was soll's? Eimear feiert an diesem Donnerstag auch noch ihren 25. Geburtstag, das kann man dann schon mal verbinden mit einem Kurzurlaub.

Wegen der recht anspruchsvollen Eintrittspreise scheinen viele Interessierte erst mal die kostenlosen Angebote des elftägigen Events mit neun Sportarten zu nutzen. Zur Eröffnungsfeier am Mittwochabend hatten jedenfalls 55 000 nicht zahlende Zuschauer den Olympiapark geflutet bis er wegen Überfüllung geschlossen wurde. Das darf man sich ja nicht entgehen lassen, die Indie-Rocker Sportfreunde Stiller und den Deutsch-Rapper Marteria umsonst auf der Bühne des Theatrons zu sehen, das für die Dauer der Veranstaltung übrigens Central Roof heißt. So wie die Olympia-Alm auf dem Olympiaberg derzeit als Heimat-Roof firmiert, alles angelehnt an die 72er-Reminiszenz des Veranstaltungsmottos "Back to the Roofs", zurück zu den (Zelt-)Dächern.

Dort oben auf dem Olympiaberg ermittelten am Donnerstag jedenfalls die BMX-Artisten unter wummernder Musikbegleitung ihre Finalisten. Bei freiem Eintritt verfolgten etliche Menschen das Geschehen, viele hatten es sich im Schatten unter den Bäumen bequem gemacht und verströmten Picknick-Atmosphäre. Ilja Wutte war mit seinem Sohn von Schwabing aus hergeradelt, der Zehnjährige auf einem BMX-Rad, wie es sich gehört. Wutte findet es "super, dass wieder mal so ein Riesenevent in München ist". Bevor es in den Urlaub geht, will er im Olympiapark "so viel mitbekommen wie möglich, ohne die recht hohen Eintrittspreise zu bezahlen". Mit seinem Sohn hätte er gern Klettern gesehen, der Filius hat gerade einen Kurs hinter sich: "Aber da zahlst Du schon 50 Euro am Königsplatz." Er verstehe das zwar, "der Aufwand ist ja riesig"; trotzdem spart er sich das lieber mal.

Außerdem gibt's im Olympiapark, dem Zentrum der European Championships, auch so noch jede Menge zu sehen und zu tun. Am Olympiasee kann man die Triathleten beim letzten Training vor ihren Titelkämpfen am Wochenende beobachten, und auf dem Kids Roof über der kleinen Olympiahalle tummeln sich die Jüngeren. Auf diversen Parcours und mit verschiedenen Balancespielen lassen sie sich zum Bewegen animieren.

Auch ein Münchner, der nur seinen Vornamen Matthias verraten mag, hat mit seiner Tochter zwischendurch eine Runde durch den Park gedreht, nachdem sich die beiden am Vormittag die Qualifikation der Turnerinnen in der großen Olympiahalle angeschaut haben; die deutschen Frauen waren ja gleich zu Beginn an der Reihe. Um bei diesem Sommerwetter in die abgedunkelte Halle zurückzukehren, muss man hartgesottener Fan des Sports sein. "Ich habe ein bisschen Interesse am Turnen", räumt Matthias ein. Er hat früher selbst geturnt, seine Tochter tut es aktuell.

Am Nachmittag sitzen sie wieder in der noch spärlich besetzten Arena, sie haben sich mit Freunden verabredet und wollen später die einzige Entscheidung des Tages anschauen, das Mehrkampf-Finale der Frauen. Für Premium-Plätze muss man bis zu 80 Euro hinlegen, für die billigsten noch 20. "Das ist schon ein stolzer Preis", sagt Matthias: "Aber so oft kommt so ein Event ja auch nicht nach München."

Das Format mit der Kombination von verschiedenen Europameisterschaften gefällt ihm jedenfalls. "Für die Zuschauer ist es gut, das zu bündeln. Da wird ein größerer Event draus." So haben es sich die Organisatoren ja auch gedacht, als sie die Veranstaltung zum 50-Jahr-Jubiläum der Olympischen Spiele nach München geholt haben.

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