Süddeutsche Zeitung

Söders Pläne:München soll Regierungsbezirk werden - was nun auf die Stadt zukommt

Lesezeit: 4 min

Von H. Effern, M. Köpf, J. Osel und W. Wittl, München

Etwa 1000 Beamte der Regierung von Oberbayern müssen damit rechnen, dass ihr Arbeitsplatz von München in die Region wandert. Wer freiwillig mitmacht, wird künftig beispielsweise nicht mehr an der Maximilianstraße arbeiten, sondern wohl in der Nähe des Rosenheimer Bahnhofs. Denn Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will seine Verwaltung auf das "vitale Herz Bayerns", vulgo München, ausrichten, erklärte er auf der Klausur der CSU-Landtagsfraktion im Kloster Seeon.

Dort stellte er am Mittwoch seine Ideen für eine Reform der Landesverwaltung vor: München soll der achte Regierungsbezirk Bayerns werden. Dafür müsste der jetzige Regierungsbezirk Oberbayern geteilt werden. Neue Standorte für dessen künftige Verwaltung sollen Ingolstadt und Rosenheim werden. Wie das Gesamtkonstrukt aussehen soll, blieb in weiten Teilen offen. Ausarbeiten soll die Pläne eine Kommission unter dem Vorsitz von Innenminister Joachim Herrmann (CSU).

Noch sitzt die Regierung von Oberbayern in München in der Maximilianstraße. Sie ist eine Mittelbehörde der Verwaltung und bildet damit eine Stufe zwischen dem Freistaat Bayern und den Kommunen. Regierungspräsidentin ist Maria Els. Zu den Aufgaben ihrer Behörde gehören unter anderen die Bau- und die Schulaufsicht, die Prüfung von Fahrlehrern oder die Kontrolle von Trambahnzügen, bevor sie in den Betrieb gehen. Die Regierung von Oberbayern verteilt zudem Fördermittel in Höhe von einer halben Milliarde etwa für Schulbauten oder den Kauf von Feuerwehrautos. Des weiteren sorgt sie zum Beispiel für die Koordination von überregionalen Hochwassereinsätzen oder die Verteilung von ankommenden Flüchtlingen.

Zu unterscheiden von der Bezirksregierung ist der demokratisch gewählte Bezirkstag, dessen Präsident Josef Mederer (CSU) ist. Das Oberbayern-Parlament kümmert sich unter anderem um Kultur und Brauchtum sowie hauptsächlich um die Betreuung behinderter Menschen. Finanziert werden diese Aufgaben zum Großteil durch eine Umlage der drei kreisfreien Städte und der 20 Landkreise. Der jährliche Etat beträgt etwa eineinhalb Milliarden Euro. Ob künftig auch ein Münchner Bezirkstag gewählt werden soll, blieb am Mittwoch offen.

Die Reaktionen in der Landeshauptstadt fielen auch angesichts der vielen unklaren Punkte gemischt aus. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), der offenbar wie die meisten Kommunalpolitiker kalt erwischt wurde, wollte sich die Pläne erst einmal "genau ansehen", bevor er sie beurteilen werde. Eine der spannenden Fragen für ihn ist zum Beispiel, wie sich die Reform auf die Bezirksumlage auswirken werde, die München dann bezahlen werde.

SPD-Stadtchefin Claudia Tausend rätselte ebenso noch, was Söders Pläne der Stadt bringen sollen. Auf den ersten Blicke könne sie "nicht den Hauch eines Mehrwerts für München erkennen", sagte sie. Die Grünen wurden noch deutlicher. "Typisch Söder. Viel Luft, kein Inhalt", sagte die Stadtvorsitzende Gülseren Demirel. Er wolle sich wieder einmal "als Macher und Problemlöser" inszenieren, doch mit den eigentlich brisanten Themen der Stadt wie den hohen Mieten habe der Bezirk nun wirklich gar nichts zu tun.

Spaenle fordert, auch die umliegenden Landkreise mit einzubeziehen

Zustimmung kommt dagegen von der Münchner CSU. Dass die Stadt einen eigenen Bezirk bekomme, sei "richtig und angemessen", sagte Stadtchef Ludwig Spaenle. Doch für ihn greift Söders Idee noch zu kurz, weil sie den neuen Regierungsbezirk auf die Stadtgrenzen beschränken will. Um die Pläne "praxistauglich" auszugestalten, müsse die Reform den Blick über die Landeshauptstadt hinaus richten. Spaenle will die gesamte Planungsregion 14 in den neuen Regierungsbezirk München einordnen, das wären die acht Landkreise München, Dachau, Ebersberg, Erding, Freising, Fürstenfeldbruck, Landsberg am Lech und Starnberg. Die Region Stuttgart habe sich bereits so organisiert und könnte als Vorbild dienen, sagte Spaenle.

Ob darüber diskutiert wird, entscheidet neben Söder die zu bildende Kommission, der Vertreter der Stadt, des Bezirks, der Bezirksregierung sowie Fachleute angehören sollen. Als zeitlichen Zielkorridor nannte Söder das Jahr 2025. Dann könnten die Landtagswahlen bereits in acht Regierungsbezirken organisiert werden. Auch München hätte dann eine eigene Liste und würde nicht mehr mit Oberbayern zusammenhängen. Auswirkungen auf das Wahlergebnis hätte eine eigene Liste wohl allerdings nicht. Am Wahlrecht würde sich nichts ändern. Allerdings gilt es zu prüfen, ob eine Verfassungsänderung für die Neuordnung der Bezirke nötig sein wird.

Söder erklärte seinen Vorstoß mit den Herausforderungen, vor denen München stünde. Die einzigen beiden größeren Städte in Deutschland, Berlin und Hamburg, würden sogar als Stadtstaaten regiert. Das sei aber nicht das Ziel für München. Söder betonte den Stellenwert Münchens für den Freistaat. Die Staatsregierung erachte das Wachstum generell als positiv. Man wolle nichts gegen München unternehmen, sondern mit Maß klug beschleunigen. Ein eigener Regierungsbezirk biete die Chance, den Metropolcharakter zu stärken und die Zusammenarbeit der Verwaltungen zu verbessern. Von einer Entmachtung der Stadtpolitik könne keine Rede sein, vielmehr würden deren Kompetenzen gestärkt. München solle aufgewertet werden. Eine Gebietsreform werde nicht angestrebt.

Etwa 1000 Beamte werden nach Ingolstadt oder Roseheim umziehen müssen

In Rosenheim und Ingolstadt herrscht Freude darüber, künftig Sitz einer Regierung von Oberbayern zu werden. Etwa 1000 der jetzt 1700 Beschäftigten sollen auf die beiden Standorte paritätisch verteilt werden. Für Rosenheims Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer (CSU) ist die Idee, die Regierung von Oberbayern auf mehrere Standorte aufzuteilen, "ein genialer Gedanke vom Ministerpräsidenten". Aus Bauers Sicht idealerweise so, dass es sowohl in Rosenheim als auch in Ingolstadt komplette Einheiten für alle Aufgaben gibt.

Rosenheim verfüge über ein Baugrundstück direkt am Bahnhof, wo die Stadt im größeren Stil ehemalige Bahnflächen entwickelt. Der Ingolstädter Oberbürgermeister Christian Lösel (CSU) sagte, mit der Entscheidung werde der "Arbeitsplatzstandort Ingolstadt" um 500 Behördenstellen aufgewertet. Das Thema Jobs am Stammsitz des Autobauers Audi trieb Lösel zuletzt enorm voran, vor allem wegen der Krise der Automobilindustrie. Der Regierungssitz werde neben Initiativen im Technologiebereich und der Wissenschaft die Zukunft Ingolstadts stärken.

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SZ vom 16.01.2020
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