Süddeutsche Zeitung

Festival der unabhängigen Musikschaffenden:Entdeckungstour für lau

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Beim 12. Klangfest präsentieren unabhängige Musik-Labels 32 Künstler aller möglichen Pop-Spielarten auf vier Bühnen im Werksviertel.

Von Michael Zirnstein

"Lieber einmal ins Stadion gehen oder zehnmal in den Club?" Die Frage ist tendenziös gestellt, klar. Und man könnte nun einwenden, dass es ja auch schon Stadionkonzertkarten für 70 Euro gibt, und manche Clubkonzerte auch schon 40 Euro kosten; also müsste man umso mehr antworten: "Hängt halt von den jeweils auftretenden Musikern ab ..." Aber bei manch astronomischen Superstar-Höchstpreisen von ein paar hundert Euro und angesichts des Überlebenskampfes kleinerer Bands und Bühnen ist die Eingangsfrage durchaus berechtigt.

Und sie wird bei einer Diskussionsrunde auf dem "Klangfest" im Münchner Werksviertel auch ausführlich durchgenommen werden. Etwa wird darauf hingewiesen werden, dass auch die Pop-Phalanx der Bundesregierung, die Initiative Musik, erkannt hat, dass "Konzertformate mit Newcomerinnen und weniger populären oder experimentellen Genres Gefahr laufen, in den Hintergrund zu treten". Dazu hat man das neue Förderprogramm "Live 500" geschaffen, dass "ein Fortbestehen der kulturell vielfältigen Livemusikprogramme" sichern soll.

Auf dem Münchner Klangfest dürfte die Tendenz der Expertenrunde (unter anderem mit dem verdienstvollen bayerischen Rockintendanten a. D. Bernd Schweinar) klar sein. Zumal das Klangfest nicht von den Groß-Tourneeveranstaltern organisiert wird, sondern vom VUT Süd, der hiesiger Verbandsvertretung der unabhängigen Musikschaffenden. Das "T" stand früher für Tonträgerunternehmen, jetzt sind allerdings auch Booker, Veranstalter und sich selbst vermarktende Musiker mitgemeint. "Act united - stay independent" ist das Motto der Lobby-Gruppe der "Kleinen", nur so können man "mit den Großen verhandeln, die sonst machen, was sie wollen".

Sein jährliches Klangfest nutzt der VUT Süd wie eine Messe: Seine Mitglieder, eben viele Plattenlabels, präsentieren in ihrem "Klangsalon" - diesmal unter freiem Himmel auf dem Knödelplatz - ihre Arbeit und Produkte (immer noch sei die Musikproduktion die Basis einer Karriere und "das wichtigste Promotion-Tool") den gut zehntausend "Musikhörer.innen" vulgo Besuchern. Und auch den Klienten wird direkt geholfen: So gibt es einen Workshop "Booking für Bands"; und die Musiker dürfen sich in einer Medienlounge nach jedem professionell gefilmten Auftritt bei einer öffentlichen Fragerunde mit Münchner Journalisten präsentieren.

Am wichtigsten allerdings für Musiker und Publikum sind die Konzerte auf den vier Bühnen. Die VUT-Mitglieder haben 70 ihrer Künstler für das Festival im Technikum, im Werk 7, auf dem Knödelplatz und in der Nachtkantine vorgeschlagen. Daraus hat eine Jury 32 ausgewählt, entsprechend vielseitig ist das Programm geworden mit Spielarten, die "ein breites Publikum sonst gar nicht mitbekommt", wie Petra Deka vom VUT Süd erklärt. Viel Weltmusik ist dabei und Musik aus aller Welt, oft mit Bayerischen Wurzeln wie bei Bavaschoro, die Choro, den "älteren Bruder des Samba", mit Alpinistischem kreuzen; bei den Chiemgauer Mundartrockern Heischneida oder den "Steam Punks" der Bairisch-Irish-Rockszene Irxn (alle open air).

Es kommen auch Gäste von weiterher, etwa Uusikuu (Neumond), die "Vintage Sound from Finland" von Tango bis Humppa mitbringen, aus Frankreich der Gypsy-Jazzer Sebastien Kauffmann und die Jazz- und Chanson-Sängerin Marianne V, die Indiepopper Everdeen aus San Francisco und London oder der Italo-Popper Raffaele Quarta samt seiner Band.

Klassisch schönes Songwriter-Handwerk wie vom englischen Kleingeldkönig Jonathan Groban oder der Nürnbergerin Ellie Benn gibt es ebenso wie Jazz-Routiniers (Wolfgang Lackerschmidt oder das neue Duo mit Carolyn Breuer und Andrea Hermenau). Aber man kann auch Gehyptes wie den Brass-Disco-Funk von Poly Radiation, den Hip-Hop-Wave von Moonis, die bunte Elektro-Musikerin Jobassa oder die Pop-Lümmel Falschgeld (die aktuellen Gewinner des Wettbewerbs "Running For The Best") erleben. Ein Konzert von Nikis Kindermusik steht da neben einem lyrischen Experimentiershow zwischen Hand-Pan und Schreibmaschine von Samuel Heinrich und dem Heavy-Metal-Mix von Liver of a Duck, die in "modischen Anzügen" nicht nur "die Herzen aller Frauen brechen" wollen, "sondern auch die Knochen der Moshpit-Fanatiker."

Ein richtiger Großverdiener der Szene ist auch dabei, auch wenn seinen Namen vielleicht nicht jeder kennt: Charly Glass, der "Elton John vom Ammersee". Er hat für Udo Jürgens wie für die Uni Credit Bank komponiert und viel für Kinder, seine mehr als 500 Stücke wurden 33 Millionen Mal verkauft. Alle auftretenden Künstler werden übrigens fair bezahlt, das ist dem Münchner Kulturreferat, das das Klangfest seit jeher unterstützt, besonders wichtig. Dennoch bleibt das ganze Festival für die Besucher kostenlos, damit die erst gar nicht überlegen müssen, ob sie ihr knappes Freizeit-Budget dafür ausgeben sollen. Lohnen würde es sich allemal.

12. Klangfest, Sa., 9. Sep., 19 bis 23 Uhr, München, www.klangfest-muenchen.de

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