Süddeutsche Zeitung

München:Polizei setzt bei G-7-Demos auf taktisches Kommunikationsteam

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In München bleiben die Proteste vor dem Gipfel weitgehend friedlich. Teil der Polizeistrategie waren fast 300 speziell geschulte Kommunikationsbeamte. Warum diese Kräfte eingesetzt werden - und welche Aufgaben sie haben.

Von Martin Bernstein

"Am liebsten ist uns", sagt Bernhard Dusch, "wenn wir nicht mal deeskalieren müssen." So gesehen müsste es am Samstag ein höchst erfolgreicher Einsatz gewesen sein für das "taktische Kommunikationsteam", das die bayerische Polizei rund um den G-7-Gipfel in München und Elmau im Einsatz hat. Die Masse der etwa 6000 Kundgebungsteilnehmer in München verhielt sich absolut friedlich. Und die wenigen, die am Rande der Demonstration mit den Einsatzkräften aneinander gerieten, dürften an Kommunikation, wie sie der alt gediente Polizeirat Dusch vom Präsidium Oberbayern-Süd in Rosenheim versteht, nicht sonderlich interessiert gewesen sein. Er gehe davon aus, dass der Großteil der Demonstranten friedlich bleiben wird, hatte Dusch im Vorfeld prophezeit - als man noch an 20 000 oder gar mehr Kundgebungsteilnehmer gedacht hatte.

Die Verschnaufpause für Dusch und sein fast 300 Köpfe zählendes Team war indes nur kurz. Schließlich waren für Sonntag weitere Versammlungen in München angekündigt. Dusch selbst aber und das Gros seiner 140 bayerischen Kommunikationsbeamten - verstärkt um ebenso viele aus anderen Bundesländern sowie acht ausländische Verbindungsbeamte, zum Beispiel aus Frankreich - eilten zum nächsten Einsatz: den Demonstrationen, die für Sonntag und Montag rund um den Ort des G-7-Gipfels in Elmau angekündigt waren. Das werde nochmal etwas ganz anderes werden, mutmaßte Dusch schon am Donnerstag bei einem Treffen im Münchner Polizeipräsidium: ganz andere Örtlichkeit, ganz andere Bevölkerung. Und wohl auch ganz andere Versammlungsteilnehmer.

Kommunikationsbeamte sind keine neutralen Vermittler

Eine neue Herausforderung also aus Sicht der "Deeskalationsbeamten" - so könne man sie ja wohl nennen? Dusch nickt lebhaft, der Begriff gefällt ihm. Wiewohl er nur etwa 50 Prozent der Arbeit beschreibt, die von dem Team erwartet wird. Die Kommunikationsbeamten - die manchmal fälschlich für eine Art mobiler Pressestelle der Polizei gehalten werden - sollen "proaktiv auf Versammlungsteilnehmer zugehen" und sie davon überzeugen, wie wichtig es ist, friedlich zu bleiben und die Regeln einzuhalten. Gelingt ihnen das, ist es nach Duschs Überzeugung ein dreifacher Gewinn - für die Polizei, für die Versammlungsteilnehmer und für die Bevölkerung.

Freilich: Auch die Kommunikationsbeamten sind keine neutralen Vermittler - sie sind in erster Linie Polizisten. Fällt ihnen eine Straftat auf, müssen sie sie nach dem Legalitätsprinzip verfolgen. Ermessensspielraum gibt es da kaum. Allerdings könne man vielleicht im Gespräch verhindern, dass eine Straftat überhaupt entstehe. Im übertragenen Sinn: dem Betrunkenen den Autoschlüssel wegnehmen, ehe er ins Auto steigt.

Da trifft es sich gut, dass die Kommunikationsbeamten, wenn gerade keine Demonstrationen zu begleiten sind, ganz normale Streifen- oder Verkehrspolizisten sind. Sie kennen solche Situationen. Wie Viktoria Rinke aus Unterfranken zum Beispiel. Die Polizeiobermeisterin hat sich zum Kommunikationsteam gemeldet, weil sie das für eine neue, spannende Herausforderung hält. "Wenn man ein Mensch ist, der gerne kommuniziert", dann reizt einen sowas.

Schulung der Beamten vor dem Gipfel

Zusätzlich zur Ausbildung gab es vor dem G-7-Gipfel eine zweitägige Schulung. Die Einsatzphilosophie wurde dort erläutert und die rechtlichen Rahmenbedingungen geklärt. Auch der Zentrale psychologische Dienst der Polizei war in die Schulung eingebunden. Schließlich sind "Geduld und Verständnis" (Rinke) wichtiges Handwerkzeug der Kommunikationsbeamten.

Denn ihre Gesprächspartner sind nicht nur die Demonstranten selbst - sondern auch Umstehende, Passanten, Augenzeugen. Mit Geduld und Verständnis ist es bei denjenigen manchmal nicht weit her, die sich nicht nur über Straßensperrungen ärgern. Sondern auch schon mal vehement Aufklärung verlangen, wenn sie beispielsweise beobachten, wie Polizisten einen Menschen gemeinsam zu Boden ringen. Oder wenn wie am Samstag die Schlagstöcke ausgepackt werden und behelmte Polizisten in schwarzer Schutzmontur Menschengruppen angehen, schieben, zurückdrängen.

Trotz derartiger Bilder, trotz Handyvideos, die auch nach Einsätzen wie dem vom Samstag im Netz die Runde machen und dem Social-Media-Team der Münchner Polizei jede Menge kritischer Fragen bescheren, ist Dusch überzeugt: "Das Vertrauen in die Polizei und unsere Arbeit ist nach wie vor sehr groß." Der nächste Vertrauensbeweis ist bereits am Sonntag zwischen Wetterstein und Loisach zu erbringen.

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