Süddeutsche Zeitung

Filmfest München:Partys, Preise, Prominente

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Etwas weniger Empfänge und strengere Sicherheitsvorkehrungen wegen des G-7-Gipfels: Nach mehr als einer Woche geht das Münchner Filmfest zu Ende. Ein Blick hinter die Kulissen.

Von Bernhard Blöchl, Josef Grübl, Susanne Hermanski, Christian Mayer und David Steinitz, München

Partystimmung nach der Premiere

Die Maximilianstraße lebt, und das an einem Sonntagabend: Sonst ist hier ja am Ende der Woche tote Designerhose - aber jetzt feiert die Constantin im Café Roma auf dem gesamten Vorplatz zum Karl-Scharnagl-Ring, mit einer Freiluftbar, einem hochmotivierten Schauspieler am Saxofon und ein paar hundert ausgelassenen Gästen, die sich selbst hochleben lassen. Wer hätte das gedacht: Das Roma, einst Treffpunkt der Bussi-Schickeria, knüpft an alte Zeiten an, sehr zur Freude des Gastronomen Gabriel Lewy, der das Lokal vor drei Jahren fast an gleicher Stelle wiedereröffnet hat und jetzt auf kleinen Tellern alles abfeuert, was seine Küche zu bieten hat.

Sönke Wortmann trägt beim Plausch mit Caroline Link unterm Sonnenschirm kurze Hosen, die Schauspielerinnen Andrea Sawatzki, Maria Happel, Nilam Farooq und Julia Jendroßek aus Doris Dörries Film "Freibad" sind auch einen Tag nach der großen Filmfest-Premiere noch in Partystimmung. Und der Chef ist froh, nach einem Kurztrip nach Berlin, wo der Deutsche Filmpreis vergeben wurde, wieder zurück zu sein. So ein Flughafen-Chaos braucht kein Mensch, "am besten man bleibt gleich in München", sagt Martin Moszkowicz. Mit einem leichten Schwips geht dieser Sommertag zu Ende - so wünscht man sich die Maximilianstraße eigentlich immer. Weniger Fassade, mehr Gefühl! chrm

Wo ist Thomas Gottschalk?

Man ist mit Thomas Gottschalk zum Interview verabredet. Der Moderator ist beim Filmfest mit der Deutschland-Premiere des neuen "Minions"-Animationsfilms vertreten. Darin spricht er den Bösewicht "Wilder Knöchelknacker". Aber im Bayerischen Hof ist die Hölle, los wie immer während des Festivals, und weit und breit kein Gottschalk zu sehen. An der Rezeption fragen? Da könnte die Zeit bis zum verbredeten Termin etwas knapp werden, die Schlange ist lang. Moment, da hinten an der Treppe steht doch ein Mann neben einem Aufsteller mit dem "Minions"-Poster. Der wird Bescheid wissen, der ist bestimmt vom Filmverleih. Entschuldigung, den Herrn Gottschalk suche ich, wegen der "Minions"... "Was wollen Sie?!" Zu Thomas Gottschalk bitte, wegen der "Minions"... "Was für Dinger?! Woll'n Sie mich veräppeln?" Ja, sind Sie denn nicht vom Filmverleih? "Filmverleih?! Ich bin Zivilpolizist, Mann!" Ein klärendes Gespräch ergibt: Es ist ja auch noch G7-Gipfel, einige Spitzenpolitiker residieren hier, nicht nur Filmfestgäste. Deshalb ist so viel los. Rhetorisches Versöhnungsangebot: Aber wenn Sie zu den "Minions" gehören würden, wär's doch auch toll. Kurze Pause, abschätziger Blick: "Das glaube ich kaum". dbs

Und wo bleibt der Nachwuchs?

Die Empfänge sind weniger geworden, verglichen mit der Zeit vor der Pandemie. Ein kleiner, immer besonders fröhlicher: der Empfang des Verbands der Bayerischen Filmfestivals. In dem sind 18, der gut 20 Bayerischen Festivals organisiert. Der Empfang hat überlebt. Hauptgesprächsthema in der Sonne des Gärtchens hinter dem Amerikahaus allerdings: Nachwuchssorgen. Ein Generationswechsel zeichnet sich ab. Oder auch nicht. Denn viele der Festivalleiter sehen sich nach jüngeren Nachfolgern um, und zucken die Achseln. Wie die Chefin des Allgäuer Autorenfilmfestivals "Filmzeit", Birgit Kern-Harasymiw, die sagt: "Es ist schwierig. Wir arbeiten alle ehrenamtlich, das muss man sich in gewisser Weise leisten können, und die jungen Leute zögern da verständlicherweise." Dazu kommt noch die Kinokrise. Und der Netflix-Hintern, der bei vielen fest verleimt zu sein scheint mit ihrem Sofa. her

Das Leben - ein bipolarer Halunke

Rainer Kaufmann, vielfach ausgezeichneter Regisseur und Stammgast beim Filmfest, versteht es offenbar zu feiern. Zur Morgenvorführung seines TV-Dramas "Laufen" im Amerikahaus erscheint der Hesse in bayerischer Lederhose und erzählt dem Publikum ungeniert, dass er noch Restalkohol von der Premierenfeier am Abend zuvor in sich habe. Sein Film, die Adaption von Isabel Bogdans Roman von 2019, hat mit ausgelassener Heiterkeit nichts zu tun. Umkreist er doch sehr sensibel die Trauerphasen einer Frau, deren Freund Suizid begangen hat. Das Leben ist nun mal ein bipolarer Halunke, das bestätigt das Feierbiest selbst. Als sich Kaufmann mit dem Filmstoff beschäftigt habe, sei er selbst mit Trauer konfrontiert worden. "Im sehr nahen Umfeld" habe sich jemand das Leben genommen, erzählt er im Gespräch nach dem Film, weshalb ihn die Geschichte nur noch mehr berührt habe. blö

Diversität - nur ein leichtes Lüftchen

Diversität wird immer wichtiger. Noch immer bilden Filme nicht das gesellschaftliche Leben ab, sind Minderheiten und Benachteiligte nicht ausreichend involviert, vor und hinter der Kamera. Bei den Oscars haben deshalb von 2024 an nur noch Werke eine Chance, die Vielfaltskriterien erfüllen. Aber wie steht es um die Diversität im deutschen Film? Dazu gab es eine Diskussionsrunde, zu der die Landtags-Grünen in die Goldberg-Studios eingeladen hatten. Zwar waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig, dass es sich um ein "sehr dringendes Thema" handelt (Moderatorin und Landtagsabgeordnete Sanne Kurz). Und sogenannte Diversity-Checklisten sind unter anderem in Norddeutschland Praxis, wie Helge Albers von der Filmförderung Moin berichtete. Streitpunkte gab es dennoch. Nachdem Dorothee Erpenstein (Film-Fernseh-Fonds Bayern) und Björn Wilhelm (BR-Programmdirektor Kultur) ihre Bemühungen für mehr Vielfalt im Film skizziert hatten, wurde Wolfgang Janßen von der Plattform "Rollenfang" deutlich: "Da platzt einem der Kragen, wenn ich das so höre." Der Fürsprecher für Inklusion in Film und Fernsehen kritisierte vor allem, dass sich die Öffentlich-Rechtlichen "erst seit ein paar Jahren" Gedanken machten. Und dass man weitreichende Ergebnisse noch vermisse. "Sie reden toll", sagte er wörtlich, "aber man spürt, dass hier nur ein leichtes Lüftchen weht." blö

Im Namen des Kaisers

Auf der linken Seite des Promenadenplatzes geht es zum ZDF, rechts zu Sky. Welche Senderveranstaltung soll man jetzt besuchen? Im Zweifelsfall die, zu der man eingeladen wurde: Also rein in den Bayerischen Hof. Dort stellen Senderverantwortliche, deren Jobbezeichnungen länger sind als es in diese Zeilen passt, die jüngsten Sky-Eigenproduktionen vor: Sechzig neue Serien, Dokus und Filme will der Pay-TV-Gigant aus Unterföhring im nächsten halben Jahr ausstrahlen. Unter anderem ein Biopic namens "Der Kaiser". Es geht um Franz Beckenbauer, der aus Bad Tölz stammende Schauspieler Klaus Steinbacher hat die Titelrolle übernommen. Die ersten Ausschnitte sehen gut aus, da ist Beckenbauer noch Versicherungslehrling und keine Fußballlegende, gibt aber dem Kaiser bereits, was des Kaisers ist. grü

Viel Lobhudelei

Es ist mal wieder einer dieser Medienaufläufe, von denen es beim Filmfest ungefähr täglich ein Dutzend gibt: Da wird in einer elend langen Rede aufgezählt, wer da ist und welche Preise die Anwesenden alles gewonnen haben. Man gönnt ihnen jeden einzelnen davon, ist irgendwann aber auch genervt von so viel Lobhudelei. Und denkt über all die Auszeichnungen nach, die im Rahmen des Filmfests vergeben wurden, die es aber schon lange nicht mehr gibt: Dem Sophie-Opel-Preis, Margot-Hielscher-Preis oder Shocking Short Award kamen im Laufe der Jahre die Preisstifter abhanden, vielleicht auch die Preisträger. Sie sind Geschichte. Ob man mit ihnen trotzdem noch bei Münchner Medienaufläufen angeben kann? Oder sollte man sich eine neue Auszeichnung besorgen? Neu im Angebot wären dieses Jahr der von Audi gestiftete Cinerebels Award oder der Cinekindl Award des Kinderfilmfests. Mal schauen, wie lange sie durchhalten. grü

Ein Preis für den Frieden

Es sind viele tolle Filme zu sehen auf diesem Filmfest - manche, denen das Attribut "Werk der Stunde" gebührt, sind es aber auch nicht. "Klondike" von der ukrainischen Regisseurin Maryna Er Gorbach ist so ein Film. Sie erzählt darin von einer schwangeren Frau während des Bürgerkriegs im Donbass - hoch poetisch und doch in an Ort und Stelle (seit 2014) gedrehten, mit dokumentarischem Schauder aufgeladenen Bildern, die mehr erklären als 1000 Zeilen Nachrichtentext. Dass Klondike trotzdem Aufmerksamkeit erhält, dafür sorgt das Team rund um Elisabeth Wicki-Endres, die Witwe von Bernhard Wicki, die den Friedenspreis des Deutschen Films - Die Brücke veranstaltet. Dessen Jury hat Klondike in einer Art Warm-up, zwei Tage vor Filmfest-Beginn, mit der ganzen Filmfest-Gesellschaft im Publikum, ausgezeichnet. her

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