Süddeutsche Zeitung

Ehrung von Kreszentia Hummel:"Ich verneige mich vor ihr, an jedem Tag meines Lebens"

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Von Anna Hoben

Kreszentia Hummel war eine sehr gläubige Frau, so hat es Charlotte Knobloch immer wieder erzählt. Ihr Glaube gibt eine Antwort auf die Frage, warum sie so gehandelt hat. Warum sie ein jüdisches Kind als ihr eigenes ausgegeben und im Zweiten Weltkrieg auf dem Bauernhof ihrer Eltern in Franken vor den Nationalsozialisten versteckt hat. Das Kind war Charlotte Knobloch, geborene Neuland. Kreszentia Hummel hat ihr das Leben gerettet.

15 Jahre nach ihrem Tod ist die Frau nun für ihre selbstlose Tat geehrt worden. In einer Feierstunde wurde sie am Dienstag im jüdischen Gemeindezentrum als "Gerechte unter den Völkern" ausgezeichnet. Die Urkunde für Kreszentia Hummel nahm deren Neffe Johann Graf entgegen. An der Veranstaltung nahmen auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und der israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, teil.

Der Ehrentitel ist die höchste Auszeichnung, die der Staat Israel an Nicht-Juden vergibt. 26 500 Menschen tragen ihn, darunter 601 Deutsche. Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem erinnert damit an diejenigen, die ihr Leben riskierten, um Juden während des Holocaust zu retten. "So eine emotionale Veranstaltung wie heute habe ich noch nicht erlebt", sagte Arik Rav-On, Direktor von Yad Vashem für die deutschsprachigen Länder.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann sagte, Antisemitismus und Rechtsradikalismus dürften in der Gesellschaft "keinen Millimeter Platz" erhalten. "Wer die Sinnhaftigkeit zum Beispiel des Holocaust-Mahnmals in Berlin in Frage stellt und ein Ende der Erinnerungskultur fordert, der hat nicht nur aus der Geschichte nichts gelernt, sondern der ist auch auf einem völlig falschen Pfad in die Zukunft", betonte er mit Blick auf die AfD im neuen Bundestag, der am Dienstag zu seiner ersten Sitzung zusammenkam.

Im Jahr 1942 bekam Knoblochs Vater Fritz Neuland einen Hinweis von einem Bekannten. Ein Alten-und Kindertransport werde zusammengestellt, und ein Mitglied der Familie solle mitgenommen werden. Knoblochs Großmutter opferte sich. Der Vater brachte seine zehnjährige Tochter daraufhin aus dem Haus am Münchner Bavariaring mit dem Zug in ein mittelfränkisches Dorf, wo eine ehemalige Hausangestellte seines Bruders auf einem Bauernhof wohnte: Kreszentia Hummel, genannt Zenzi.

Die streng katholische - und unverheiratete - Kreszentia Hummel gab das Mädchen fortan als ihr eigenes aus. Als uneheliches Kind also, was damals als Schande für das ganze Dorf galt. "Kreszentia Hummel gehörte zu den wenigen Menschen, die damals einen Handlungsspielraum gefunden haben, wo es angeblich keinen gab", sagte Sandra Witte von der israelischen Botschaft am Dienstag in ihrer Laudatio.

Charlotte Knobloch bezeichnete die Ehrung als eine, "die sich von anderen Preisen abhebt". Die Auszeichnung bewahre die Erinnerung an Menschen, "die nicht schweigen wollten, die Unrecht nicht ertragen wollten". Hummel habe die Ehrung nicht gebraucht, "aber die Welt braucht sie". Als Knobloch über ihre Pflegemutter sprach, wurde ihre Stimme brüchig. "Sie hat mich gerettet, meine Kinder, meine Kindeskinder. Ich verneige mich vor ihr, nicht nur heute, sondern an jedem Tag meines Lebens."

Auch ein Landsberger Ehepaar wird ausgezeichnet

Drei Jahre blieb Charlotte Knobloch auf dem Bauernhof in Franken. Viele Jahre später, zum 85. Geburtstag von Kreszentia Hummel, wollte Knobloch sie für das Bundesverdienstkreuz vorschlagen. Ihre Retterin lehnte ab. Sie sagte, sie sei schon dadurch belohnt worden, dass ihre beiden Brüder heil aus dem Krieg zurückgekommen waren.

Neben der Pflegemutter von Charlotte Knobloch, die seit 1985 Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern ist, wurde am Dienstag auch das Landsberger Ehepaar Alois und Maria Elsner als "Gerechte unter den Völkern" geehrt. Der Kaminkehrer Alois Elsner wurde in den Fabriken der Kauferinger Arbeitslager ab 1944 Zeuge der unmenschlichen Behandlung der meist jüdischen Gefangenen. Heimlich versorgten er und seine Frau die Insassen mit Nahrungsmitteln, Medikamenten und Kleidung. Nach dem Krieg erhielten sie von ehemaligen Zwangsarbeitern viele Briefe zum Dank für die lebensrettende Hilfe.

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SZ vom 25.10.2017
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