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Pressefreiheit:Regierungskritischer Journalist Ahmet Şık in Istanbul festgenommen

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Der prominente türkische Autor und regierungskritische Journalist Ahmet Şık ist in Istanbul festgenommen worden. Das berichteten sowohl Şık selbst auf seinem Twitter-Account als auch die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Şık schrieb auf Twitter: "Ich bin gerade festgenommen worden." Er werde anscheinend wegen einiger Tweets zur Staatsanwaltschaft gebracht. Anadolu listet die Tweets auf, um die es gehen soll. Der Vorwurf laute auf Beleidigung des Staates, seiner Streitkräfte und der Polizei sowie Verbreitung von "Terror-Propaganda".

Der investigative Journalist und Autor gehört zu den prominentesten Kritikern der Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen, den Staatschef Recep Tayyip Erdoğan für den Putschversuch Mitte Juli verantwortlich macht. Şık widerspricht dieser Version.

Die Regierungspartei AKP und vor allem Erdoğan hatten Gülen jahrelang gefördert, bis es 2013 zum öffentlichen Bruch kam. Şık hat diese Förderung immer wieder kritisiert. In einem Interview sagte Şık im August: "Über die Gülen-Gemeinde zu diskutieren und gleichzeitig die Mitschuld der AKP verheimlichen, ist ein großes Versäumnis. Fethullah Gülen und Recep Tayyip Erdoğan müssen wegen Bildung und Leitung einer Organisation zusammen vor Gericht gestellt werden."

Şıks Buch "Die Armee des Imam" über die Gülen-Bewegung wurde 2011 noch vor der Veröffentlichung verboten, er selber saß ein Jahr lang in Untersuchungshaft. Şık wurde 2014 mit dem Unesco-Preis für Pressefreiheit ausgezeichnet. Die UN-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur würdigte ihn als "glühenden Verteidiger der Menschenrechte", der "Korruption und Gewalt gegen Meinungsfreiheit" anprangere.

Die Behörden gehen seit dem Putschversuch von Mitte Juli verstärkt gegen Regierungskritiker vor. In den vergangenen Monaten hat die Regierung bereits mehr als 150 Zeitungen, Radio- und Fernsehsender geschlossen und zahlreiche Journalisten festgenommen, darunter auch Murat Sabuncu, Chefredakteur der Tageszeitung Cumhuriyet, und den Herausgeber der Zeitung, Akın Atalay. Die Organisation Reporter ohne Grenzen hat Präsident Erdoğan auf die Liste der "Feinde der Pressefreiheit" gesetzt.

Prozess gegen Autorin Aslı Erdoğan beginnt

Unter großer öffentlicher Aufmerksamkeit hat in Istanbul der Prozess gegen die türkische Autorin Aslı Erdoğan ( hier ein Porträt) und acht weitere Angeklagte wegen Terrorvorwürfen begonnen. Den Angeklagten wird unter anderem Mitgliedschaft in der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vorgeworfen. Ihnen droht lebenslange Haft. Hintergrund ist die Tätigkeit der Angeklagten für die inzwischen geschlossene pro-kurdische Zeitung Özgür Gündem. Die türkischen Behörden sehen das Blatt als Sprachrohr der PKK. Erdoğan hatte Kolumnen für die Zeitung geschrieben und war im August im Rahmen einer Razzia gegen die Özgür Gündem festgenommen worden. Die Autorin und weitere drei der Angeklagten sitzen in Untersuchungshaft.

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