Süddeutsche Zeitung

Netflix:Was mit Medien? Was mit Obamas!

Lesezeit: 3 min

Michelle und Barack Obama sollen Filme und Serien für Netflix produzieren. Das zeigt vor allem: Die Familie hat nichts von ihrem irren Vermarktungspotenzial eingebüßt.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es war eine augenzwinkernde und schelmische Botschaft, die Barack Obama seinen Landsleuten im Februar 2017 schickte. Die Amerikaner debattierten gerade heftig über die ersten Entscheidungen des neues Präsidenten Donald Trump und auch darüber, ob sich der Vorgänger nicht doch mal dazu äußern sollte, da tauchten diese Fotos aus der Karibik auf: Obama stapft in Flip-Flops und mit umgedrehter Baseballcap auf dem Kopf durch den weißen Sand auf Necker Island. Er nuckelt an einer Kokosnuss und misst sich im türkisfarbenen Meer mit dem britischen Milliardär und Bonvivant Richard Branson im Kitesurfen. Die Botschaft: Leute, ich bin aber so was von im Urlaub und so weit weg vom Wahnsinn in Washington wie nur irgendwer!

"Chillin' Out Max" nennen die Amerikaner diese höchste Form der Entspannung, und genau das hatte Obama beim Abschied aus dem Weißen Haus angekündigt: "Michelle und ich fahren jetzt erst einmal in Urlaub." Zusatz: "Danach machen wir uns wieder an die Arbeit."

Mehr als ein Jahr später scheint Obama seine nachpräsidiale Aufgabe gefunden zu haben: Man könnte sie zusammenfassen mit dem Generation-X-Berufswunsch "Was mit Medien". Die Eheleute Obama sollen vom Verlag Penguin Random House für zwei Bücher einen Vorschuss von insgesamt etwa 65 Millionen Dollar erhalten haben; die Memoiren von Michelle ("Becoming") sollen im Herbst erscheinen, die Erinnerungen von Barack zu einem späteren Zeitpunkt. Am Montag dann hat der Streamingdienst Netflix eine mehrjährige und millionenschwere Partnerschaft mit Obamas frisch gegründeter Produktionsfirma Higher Ground Productions verkündet.

"Barack und Michelle Obama gehören zu den bekanntesten und meistrespektierten Persönlichkeiten der Welt. Sie kennen deshalb Leute, die aus der Welt einen besseren Ort machen", sagt Netflix-Programmchef Ted Sarandos, dessen Ehefrau Nicole Avant während Obamas Präsidentschaft als Botschafterin auf den Bahamas tätig gewesen ist: "Wir sind unglaublich stolz darauf, dass sie uns als Heimat für ihre herausragenden Fähigkeiten als Geschichtenerzähler gewählt haben."

Die Netflix-Strategie ist ganz offensichtlich: was mit Obama. Es soll fiktive Serien geben, Dokumentarfilme, Dokuserien, Spielfilme, ein bisschen was von allem also für die mittlerweile 125 Millionen Abonnenten weltweit. "Zu den schöneren Aspekten einer politischen Karriere gehört es, viele faszinierende Persönlichkeiten aus allen Lebensbereichen zu treffen", sagt Obama, und er sagt auch, was Produzenten nun mal so sagen, wenn sie einen neuen Sender gefunden haben: "Wir wollen diese inspirierenden und kreativen Stimmen fördern, sie sollen ihre Geschichten der ganzen Welt erzählen und somit für mehr Verständnis und Mitgefühl unter den Menschen sorgen." Die ersten Werke sollen 2019 zu sehen sein.

Details über einzelne Projekte verriet der Streamingdienst ebenso wenig wie die finanziellen Aspekte des Deals. Aus dem Umfeld des Unternehmens ist lediglich zu hören, dass sich die Summen in etwa in jenen Regionen bewegen, die Netflix zuletzt ausgegeben haben soll, um einige der kreativsten Köpfe in Hollywood zu verpflichten. Der Vier-Jahres-Vertrag mit der Produzentin Shonda Rhimes soll mit 100 Millionen Dollar vergütet werden, der Fünf-Jahres-Kontrakt des Serienmachers Ryan Murphy mit mehr als 250 Millionen Dollar. Irgendwo dazwischen soll die Entlohnung für die Obamas liegen.

"Wenn US-Präsidenten nicht schon vorher vermögend gewesen sind, dann müssen sie nach ihrer Amtszeit arbeiten", sagt die Autorin Barbara Bradley Hagerty, die im vergangenen Jahr den Essay "Can an Ex-President Be Happy?" in der Zeitschrift The Atlantic veröffentlicht hat. George Washington etwa wurde einst der größte Whiskey-Produzent des Landes, Jimmy Carter musste erst einmal seine hoffnungslos verschuldete Erdnussfirma retten. Bill Clinton musste über Buchverträge und Vortragshonorare die Anwaltskosten aus der Lewinsky-Affäre begleichen. Hagerty sagt dazu lachend: "Es kann der Karriere ziemlich förderlich sein, wenn man mal Präsident gewesen ist."

Zumindest finanziell muss man sich um die Obamas also nicht nicht sorgen. Bleibt das politische Vermächtnis: Aus dem Umfeld von Netflix ist zu hören, dass Obama das Streamingportal weder für eine politische Kampagne noch für einen Kampf gegen rechtskonservative Medien wie etwa Fox News nutzen werde. Sämtliche Produktionen sollen sich auf die optimistischen Aspekte des Engagements der Eheleute Obama konzentrieren. Das klingt diplomatisch, könnte letztlich aber auch wieder in augenzwinkernde Botschaften münden. Ein Gespür dafür hat Obama mit seinen Urlaubsfotos bereits bewiesen.

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