Süddeutsche Zeitung

"Anne Will":Der Trump-Unterstützer - das seltsame, exotische Tierchen 

Lesezeit: 4 min

Ein Republikaner wird bei "Anne Will" vom Rest der Runde kaum ernst genommen. Eine Historikerin findet, man könne sich der Schadenfreude wegen Trumps Corona-Infektion kaum erwehren.

TV-Kritik von Thomas Hummel

"Ich bin der Meinung, dass er das Beste tut für das Land. Er erfüllt seine Versprechen. Ich unterstütze ihn voll und ganz." Es sind Sätze Richtung Donald Trump, die im deutschen Fernsehen selten fallen. Es gibt offenbar wenige Menschen, die diese Meinung vertreten und noch weniger, die sie öffentlich äußern wollen. Die Redaktion der Talkrunde "Anne Will" hat mit Roger Johnson einen eingeladen. Er ist Vizepräsident der Republicans Overseas in Europa und gibt den Trump-Unterstützer, den diese Sendung mehr als nötig hat.

Anne Wills Thema lautet: "Trump mit Corona infiziert - welche Konsequenzen hat das für die USA?" Johnson wird aus einem Studio in Tschechien zugeschaltet. Er ist ein weißer, älterer Herr, hat eine Schramme an der Stirn und wirkt insgesamt ein wenig wackelig, was trotz seiner sehr guten Deutschkenntnisse auch an der Sprache liegen könnte. Wenn er spricht, blicken die anderen Gäste in der Runde auf den Bildschirm, als würden sie ein seltsames, exotisches Tierchen sehen.

Auf die Frage, ob Donald Trump das Coronavirus verharmlost habe, antwortet Johnson nach Parteilinie: Schuld seien China, die Demokraten und die Gouverneure der Bundesstaaten. Anne Will weist darauf hin, dass etwa in Washington die Regeln sehr streng seien, Donald Trump diese aber für einen Empfang im Rosengarten des Weißen Hauses am vergangenen Samstag außer Kraft gesetzt habe. Er stellte seine Kandidatin für den Supreme Court, Amy Coney Barrett, vor. Die Gäste achteten weder auf Abstand noch trugen sie Masken. Jetzt sind viele von ihnen infiziert, es könnte sich um ein sogenanntes Superspreader-Event handeln.

Ein Selbstvergewisserungskreis, der Trump doof findet

Auf Anne Wills Rückfrage folgt ein äußerst kleinlauter Johnson. Es sei bedauerlich, dass es so gelaufen sei. Ja, er trage eine Maske und halte sich an die Vorgaben der tschechischen Regierung. Und nein, das Virus sei nicht harmlos. Wenig später erklärt Johnson noch, dass er per Briefwahl abstimmen werde. Dabei verkündet seine Partei ständig, dass diese Briefwahl anfällig sei für Manipulationen.

Der Schwung aus dem Pro-Trump-Lager in der Sendung verpufft schnell. Alle anderen in der Runde (bis auf den ARD-Reporter Stefan Niemann, der recht neutral aus Amerika analysiert) sind gegen Trump. Bisweilen findet eine Art Selbstvergewisserungskreis statt, in dem man sich fleißig zunickt und gegenseitig übertrifft. Nun darf sich Donald Trump nicht beschweren. Wer austeilt, muss auch einstecken können. Doch ob es für eine Talkrunde hilfreich ist, zu viele Gäste mit der gleichen Meinung in beigefarbene Sessel zu setzen, ist fragwürdig.

Cem Özdemir, klar, kann kein gutes Haar an Mister Trump erkennen. Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag traut dem Mann grundsätzlich alles zu. Alles Negative selbstredend. Trump sei ein notorischer Lügner, er stelle sein persönliches Interesse über das der Nation. Özdemir hat selbst eine Corona-Infektion überstanden, Anne Will fragt ihn, ob eine solche Krankheit dazu führen könne, dass auch Trump mehr Mitgefühl für seine Mitmenschen entwickle. Özdemir stockt ob dieser Vorstellung. "Donald Trump ist das Gegenteil von Empathie und Mitmenschlichkeit. Da fehlt ihm ein Gen", sagt er.

Es dürfte nicht leicht gewesen sein, jemanden zu finden, der Trump noch mehr verabscheut als Cem Özdemir. Doch die Redaktion von "Anne Will" hat es geschafft. Britta Waldschmidt-Nelson, Professorin für die Geschichte des europäisch-transatlantischen Kulturraums an der Universität Augsburg, übertrifft ihn mit folgender Aussage: Es gebe ganz bestimmt viele Menschen in den USA und weltweit, die sich des Gefühls nicht erwehren könnten, Häme und Schadenfreude zu empfinden, weil Trump nun infiziert sei. Dieser habe das Virus so lange ignoriert und sich etwa über das Tragen von Masken lustig gemacht. "Irgendwann sagt man, das geschieht ihm vielleicht doch auch recht."

Man könnte Britta Waldschmidt-Nelson zugutehalten, ehrlich ihre Gedanken mitzuteilen. Doch über Rache nachzudenken oder über sie öffentlich zu sprechen, sind zwei verschiedene Dinge. Waldschmidt-Nelson glaubt auch nicht daran, dass nun einige Amerikaner aus Mitgefühl Donald Trump wählen werden. Im Gegenteil habe sich Trump als jemand geriert, der "jede Art von Schwäche als etwas Erbärmliches ansieht". Das falle ihm nun im Zeichen der Krankheit auf die Füße.

Ungewollt verhilft Waldschmidt-Nelson dem Republikaner Roger Johnson später zu dessen stärkstem Auftritt. Sie zeigt sich überzeugt, dass Trump versuche, die Wahl so gut es gehe in seinem Sinne zu beeinflussen. Unter anderem damit, so Waldschmidt-Nelson, dass die Partei 50 000 Ex-Polizisten rekrutiert habe, sich am Wahltag rund um die Wahllokale zu postieren und Menschen unter Druck zu setzen oder gar zu bedrohen, sollten sie den Demokraten Joe Biden wählen. Johnson sagt: Davon habe er noch nie gehört. Woher sie das denn habe? Woraufhin Waldschmidt-Nelson erklärt, sie habe das online irgendwo gelesen. Für eine Professorin ist das eine etwas fragwürdige Quellenangabe.

Auch Altmaier will aus seinem Herzen "keine Mördergrube machen"

Die Überraschung des Abends gelingt Peter Altmaier. Der CDU-Wirtschaftsminister lässt sich zur "Selber-Schuld"-Show nicht herab, doch: "Ich will aus meinem Herzen keine Mördergrube machen", sagt er. Auch Altmaier findet Trump ziemlich doof. Das "America first" gehe ihm auf die Nerven. Zudem mache es ihn wütend und ärgerlich, wenn Politiker in der Republikanischen Partei von Donald Trump, aber auch anderswo das Virus verharmlosten oder so täten, als könne man dem Virus die Stirn bieten und nichts würde geschehen. Das Gegenteil sei der Fall. Zudem erklärt Altmaier, dass der Umgang mit der Pandemie in den USA "kritisch beleuchtet werden" müsse. Schließlich sei man Teil einer globalen Weltwirtschaft, alle seien miteinander verflochten und voneinander abhängig. Was Trump tue, betreffe also auch Deutschland.

Ein deutscher Minister fordert eine Untersuchung der Corona-Politik Donald Trumps? Wenn der das wüsste - er hätte sicherlich selbst aus dem Krankenbett sogleich eine gepfefferte Antwort getwittert. Aber vermutlich hat Donald Trump gerade wirklich andere Probleme.

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