Süddeutsche Zeitung

Senkung der Promillegrenze:Schotten nicht mehr dicht

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Von Christian Zaschke

Es ist jetzt möglich, in England mit legalem Alkoholpegel im Blut loszufahren und in Schottland mit illegalem Pegel anzukommen. Denn die Regionalregierung in Edinburgh hat die Promillegrenze im Straßenverkehr von 0,8 auf 0,5 gesenkt. Im Rest des Vereinigten Königreichs gilt jedoch weiterhin der alte Wert.

Dass nun ausgerechnet Schottland beim Kampf gegen Alkoholmissbrauch vorangeht, mag auf den ersten Blick überraschen. Schließlich ist es die Region, deren Nationaldichter Robert Burns einst deklamierte: "Freedom an' whisky gang thegither" - Freiheit und Whisky gehören zusammen.

In Schottland gibt es 109 lizenzierte Destillerien, in deren Lagern rund 20 Millionen Fässer Whisky reifen. Die schottische Whisky-Industrie generiert jährlich 4,3 Milliarden Pfund.

Nichtsdestotrotz ist der schottischen Regierung der Kampf gegen übermäßigen Alkoholkonsum ein Anliegen. Seit Jahren versucht sie gegen den erbitterten Widerstand der Getränkeindustrie einen Mindestpreis für Alkohol durchzusetzen - wenn auch bisher vergeblich. Das neue Limit im Straßenverkehr hat das schottische Regionalparlament in seltener Einstimmigkeit verabschiedet.

London hat kein Interesse - Nordirland zögert

Ursprünglich hatten die Abgeordneten geplant, gemeinsam mit der Zentralregierung in London vorzugehen. Diese signalisierte jedoch, derzeit kein Interesse an einer Senkung der Promillegrenze zu haben. Neben England, Wales und Nordirland gilt in Europa nur noch in Malta die 0,8-Promillegrenze, sonst liegt der Wert überall niedriger. In Nordirland überlegt die Regionalregierung allerdings, dem schottischen Vorbild zu folgen.

Der Glasgow Evening Herald stellte besorgt fest: "Die neue Grenze kommt zu einem Zeitpunkt, an dem sich Tausende Schotten auf die Weihnachtsfeiern im Büro vorbereiten." Auf diesen Feiern wird in ganz Großbritannien traditionell viel getrunken. Die schottische Polizei schätzt, dass durch die neue Grenze 35 Fahrer pro Woche mehr als bisher ihren Führerschein verlieren werden.

Seit April dieses Jahres sind bereits mehr als 3300 Fahrer mit zu viel Alkohol im Blut erwischt worden. In Schottland sterben pro Jahr im Schnitt 20 Menschen durch Verkehrsunfälle, die von betrunkenen Fahrern verursacht wurden, 90 Menschen werden schwer verletzt. Im gesamten Königreich kommen etwa 230 Menschen pro Jahr im Straßenverkehr bei alkoholbedingten Unfällen um.

Schotten trinken mehr als ihre Nachbarn

Der schottischen Regierung zufolge trinken Schotten im Schnitt zwölf Liter reinen Alkohols pro Kopf und Jahr und damit zwei Liter mehr als die übrigen Bürger des Vereinigten Königreichs. Das macht umgerechnet pro Kopf 90 Pints Bier oder 21 Flaschen Wein mehr als Engländer, Waliser und Nordiren. Damit liege Schottland auf Rang acht der Länder mit dem höchsten Alkoholkonsum.

Zum Inkrafttreten der neuen Promillegrenze am Freitag hat die schottische Polizei eine Großoffensive gestartet. Überall im Land, an Tankstellen, Supermärkten und Flughäfen informierten Beamte über die Neuerung. Auf vielen Straßen wurde von 7.30 Uhr an nach den neuen Regeln kontrolliert. Wie die Polizei mitteilte, waren zu diesem Zeitpunkt "die meisten Fahrer" nüchtern.

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Quelle:
SZ vom 06.12.2014
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