Süddeutsche Zeitung

Aus der Landespolitik:Endlich wieder Bierzeltreden

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Finanzminister Albert Füracker hat das Gäubodenfest eröffnet. Die CSU ist zurück in ihrem alten Wohnzimmer.

Glosse von Sebastian Beck, Straubing

Zweieinhalb finstere Jahre liegen hinter der CSU. Ausgerechnet die Partei, die ihren Erfolg zum guten Teil dem Bierzelt verdankt, musste sich mit Streamingauftritten, Teamskonferenzen und anderen aseptischen Kommunikationsmitteln herumschlagen. Den Tiefpunkt markierte der erste virtuelle politische Aschermittwoch 2021, als Parteichef Markus Söder sich mit Brotzeitplatte und Breznkorb ins Studio setzte, um dort seine Rede abzulesen. Genauso gut kann man sich zweieinhalb Stunden lang das Foto einer Mass Bier anschauen - einen Rausch kriegt man davon trotzdem nicht.

Am vergangenen Wochenende eröffnete Bayerns CSU-Finanzminister Albert Füracker das Gäubodenfest in Straubing - samt echten Zuhörern, richtigem Bier und bayerischer Nationalhymne zum Abschluss. Für das entwöhnte Publikum im Festzelt war es eine Gelegenheit, sich wieder mit einer klassischen CSU-Rede vertraut zu machen. Sie folgt immer schon dem festen Schema, wonach es auf der einen Seite diejenigen gibt, die einen Krampf daherreden und sich schleichen sollen. Und auf der anderen Seite gibt es die CSU, die in der Mitte der Gesellschaft steht, tiefwurzelnd im christlich-abendländischen Wertefundament, und sich halt auskennt. Füracker sagte zum Beispiel: "Wir brauchen uns nicht belehren lassen von denen, die glauben, wirtschaftliche Entwicklung darf nur in den Städten stattfinden, und auf dem Land draußen sollen sie nur die Brosamen kriegen. Von denen lassen wir uns nicht irritieren."

Lässt man die Fakten mal beiseite, Füracker bewies dabei, dass er zu den wenigen bierzelttauglichen Politikern der CSU gehört. Neben Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber darf dieses Gütezeichen allenfalls noch Peter Gauweiler tragen, obwohl der inzwischen eher die Randbezirke der Partei bewohnt.

Im Publikum saß in Straubing auch einer, der sich für einen großen Volkstribun hält: Bayerns Vize-Ministerpräsident und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger. Er durfte an diesem Festtag keine Silbe sagen und musste mit anhören, wie Füracker um die Gunst des "ländlichen Raums" buhlte, für dessen wichtigsten Lobbyisten sich Aiwanger selber hält. Die CSU wird sich jedenfalls bis zur Wahl im nächsten Jahr von einem Festzelt ins nächste stürzen und die bayerische Nationalhymne schmettern, in der Hoffnung, dass alles wieder halbwegs so wie früher wird.

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