Süddeutsche Zeitung

Bayerischer Verdienstorden:Späte Ehre für die Altkanzlerin

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Ministerpräsident Söder zeichnet Angela Merkel mit einer der höchsten Auszeichnungen des Freistaats aus. Das war die längste Zeit nicht zu erwarten.

Von Andreas Glas und Johann Osel

Es ist noch gar nicht so lange her, da war es kaum vorstellbar, dass ein CSU-Ministerpräsident die inzwischen pensionierte CDU-Kanzlerin mal mit einem Orden dekorieren könnte. In der Flüchtlingskrise war die Beziehung der CSU zu Angela Merkel ja ziemlich erkaltet. Vor allem die Demütigung durch Horst Seehofer beim CSU-Parteitag 2015 wird Merkel kaum vergessen haben. Auf offener Bühne hatte der damalige Ministerpräsident die Bundeskanzlerin für ihre Politik zurechtgewiesen. Und jetzt? Soll Merkel eine der höchsten Auszeichnungen bekommen, die der Ministerpräsident des Freistaats zu vergeben hat. Markus Söder (CSU) will ihr den bayerischen Verdienstorden überreichen. Und das ausgerechnet für ihre Krisenpolitik "zum Wohl des bayerischen Volkes", wie ein Sprecher der Staatskanzlei sagte.

Finanzkrise, Eurokrise, Corona, diese Herausforderungen listet Söders Sprecher auf. Die Flüchtlingskrise nicht, trotzdem ist die geplante Ehrung bemerkenswert. Söder, damals Finanzminister, gehörte ja zu denen, die sich von Seehofer noch schärfere Attacken auf die Kanzlerin wünschten. Statt "Wir schaffen das", hätte Merkel besser "Wir haben verstanden" sagen sollen, lästerte Söder einst. Ihre Asylpolitik bezeichnete er als "grundlegenden Fehler".

Erst in der Corona-Krise fanden Söder und Merkel zusammen. Zu Pandemie-Beginn hatte Söder den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz, den Platz neben Merkel, bei jedem wichtigen Presseauftritt. Beide verfolgten einen recht strengen Corona-Kurs. Und beide profitierten von dieser Allianz, rückten in den Ranglisten der beliebtesten Politikerinnen und Politiker an die Spitze. Der Höhepunkt dieser späten Liebesgeschichte war im Sommer 2020, als Merkel zu Besuch nach Herrenchiemsee kam und die Republik rätselte, ob die Kanzlerin da womöglich von ihrem Nachfolger empfangen wird. Es kam bekanntlich anders.

Während etwa Konrad Adenauer und Helmut Kohl (beide CDU) den bayerischen Verdienstorden noch während ihrer Kanzlerjahre bekamen, erhält ihn Merkel erst hinterher. Das ist einerseits plausibel, eben weil das Verhältnis zur CSU lange kompliziert war. Und andererseits überraschend, da Merkels Kanzlerschaft inzwischen von vielen weniger positiv bewertet wird als noch während ihrer Amtszeit. Vor allem ihre Russland-Politik steht seit dem Ukraine-Krieg in Zweifel. Selbst in der CDU gab es kritische Stimmen, als Merkel im April das Großkreuz des Verdienstordens von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bekam. Am Dienstagnachmittag sollte sie den Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen bekommen. Den bayerischen Orden erhält Merkel am 21. Juni.

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