Süddeutsche Zeitung

Machtkampf:Schieber hinter den Kulissen

Lesezeit: 3 min

Von Roman Deininger und Wolfgang Wittl

Auf den ersten Blick sah der Auftritt aus wie eine Nichtigkeit, wie eine Randnotiz, die bei Kenntnis der näheren Umstände jedoch schnell interessant wird. Es war vor ein paar Tagen, als der Präsident des Bayerischen Landkreistages im Deggendorfer Landratsamt zu seinen Mitarbeitern sprach. Er wolle eines klarstellen, betonte Christian Bernreiter: Er werde nicht als Minister nach München wechseln, sondern Landrat vor den Toren des Bayerischen Waldes bleiben, am liebsten die nächsten 15 Jahre noch. Na und, ein Landrat will weiter Landrat sein? Bei dieser Selbstverständlichkeit könnte man es bewenden lassen, stünde die Episode in Wahrheit nicht beispielhaft für die sich verändernden Machtverhältnisse in der CSU.

Wenn die CSU alle zwei Jahre ihre Spitze wählt, wie an diesem Wochenende in Nürnberg, sind die wichtigsten Fragen meistens vorher geklärt. Trotzdem liefern sie diesmal kaum eine Antwort für die Zukunft. Horst Seehofer tritt wieder als CSU-Chef an, auch Präsidium und Vorstand werden gewählt. Aber dann? Das Personaltableau sortiert sich derzeit in einem Tempo und Ausmaß, das der Parteitag mit seinem Resultat nicht widerzuspiegeln vermag. Der Kampf um die Spitzenplätze in der Post-Seehofer-Ära hat längst begonnen - mittendrin steht Markus Söder, der designierte bayerische Ministerpräsident.

Bislang weist Söder alle Ambitionen weit von sich, er wolle sich auch den Parteivorsitz einverleiben. Er weiß um die immensen Vorbehalte in der CSU, ihm die beiden wichtigsten Ämter sofort zu überlassen. Es kommt Söder daher gelegen, dass Seehofer den Platzhalter auf dem Parteivorsitz gibt und auch die mäßig attraktiven Gespräche zur Regierungsbildung in Berlin führt. Welche Wirkung die Machtteilung parteiintern bereits entfaltet, zeigt aber die Personalie Bernreiter. Der Landkreistagspräsident gilt als Anhänger Seehofers, ein Wechsel in dessen Kabinett war mehr als Spekulation. Bernreiters vorauseilende Absage dokumentiert, wer in München künftig den Ton angibt.

Parteifreunde, die ihrem Favoriten Söder die Steigbügel zum Aufstieg an die Spitze Bayerns hielten, sollten sich dennoch nicht zu früh freuen. Ihr Lohn könnte dürftiger ausfallen als erhofft. Söder braucht Geschlossenheit in der CSU, will er bei der Landtagswahl 2018 gut abschneiden. Also wird er bei der Verteilung von Posten seine Gegner mindestens so berücksichtigen müssen wie seine Unterstützer.

Ilse Aigner etwa, die Chefin der mächtigen Oberbayern-CSU, wird sich und ihren Bezirksverband für den Seehofer-Sturz teuer entschädigen lassen wollen. Wie tief der Ärger bei Aigner sitzt, machte sie soeben bei ihrer Weihnachtsansprache im Landtag deutlich: Die Bevölkerung vertrage ja viel im politischen Wettstreit, sagte sie, allerdings keine "Schlammschlachten". Damit waren die Wochen des nicht immer sauber geführten CSU-Machtkampfs gemeint.

Aigner steht am Parteitag nicht in vorderster Reihe zur Wahl, anders als Söders wohl größter interner Gegner Manfred Weber. 90,8 Prozent bekam der Chef der Konservativen im Europaparlament vor zwei Jahren bei seiner Wahl zum CSU-Vizechef - mehr als jeder andere im engsten Führungszirkel, mehr als Seehofer. Weber hat sich in der Partei einen Ruf als "Anti-Söder" erworben, als einer, der Söder unbedingt verhindern wollte. Zwar hat er ihm inzwischen pflichtschuldig seine Zusammenarbeit angeboten, man darf aber trotzdem gespannt sein, wie die Delegierten reagieren. Strafen sie Weber ab? Oder wollen sie Söder eine starke Figur entgegensetzen?

Alte Parteigranden sehen in Weber den Chef

Weber zählt zum liberalen Flügel der CSU, Granden wie der frühere Fraktionschef Alois Glück und die ehemaligen Parteivorsitzenden Theo Waigel und Erwin Huber sehen in ihm einen künftigen Parteichef. Als Weber kürzlich vom Europäischen Wirtschaftssenat den Preis für "besondere Verdienste um einen offenen Dialog in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft" bekam, lobte Waigel ihn als "positive Ausnahmeerscheinung". Ihm imponiere, sagte der Laudator, wie geradlinig Weber durch die für die CSU nicht immer einfachen vergangenen Wochen gegangen sei, "ohne Beleidigungen und Indiskretionen".

In kleinem Kreis hatte Weber erklärt, er sei schon jetzt bereit, als Parteichef anzutreten - allerdings nicht gegen den Willen Seehofers. Widerstand erntete er vor allem von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, dem ebenfalls Interesse am Parteivorsitz nachgesagt wird. Dobrindt warb vehement dafür, Seehofer müsse weitermachen. Und so werden die wichtigsten CSU-Personalfragen wohl erst auf einem anderen Parteitag entschieden - dann unter maßgeblicher Berücksichtigung des Landtagswahlergebnisses 2018.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3791812
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 15.12.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.