Süddeutsche Zeitung

Großprojekt in der Krise:Der Freistaat sucht sich neue Tunnelbauer

Lesezeit: 1 min

Nach dem Streit mit dem bisherigen Bauunternehmen schreibt das Bauamt die fehlenden Arbeiten im Kramertunnel bei Garmisch-Partenkirchen neu aus. Doch auch droben am Berg hat der Freistaat laut einem neuen Gerichtsbeschluss noch viel zu tun.

Von Matthias Köpf, Garmisch-Partenkirchen

Drei Monate nach dem unerwarteten Baustopp im Kramertunnel bei Garmisch-Partenkirchen und dem einseitigen Abzug der Tunnelbauer hat das Staatliche Bauamt Weilheim die fehlenden Arbeiten neu ausgeschrieben. Ziel sei es, die Bautätigkeit im längsten Straßentunnel Bayerns "noch vor Ende des Winters" wieder aufzunehmen, heißt es von der Behörde. Ein Tiroler Spezialbauunternehmen hatte nach dreieinhalb Jahren im August hingeworfen, weil beide Seiten sich nicht über Zusatzkosten in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe einigen konnten. Danach haben sowohl das Unternehmen als auch das Amt ihren 2019 geschlossenen Vertrag aufgekündigt.

Die bisher kalkulierten 150 Millionen Euro allein für den Rohbau des Umfahrungstunnels um Garmisch Richtung Reutte und Fernpass werden offenkundig bei Weitem nicht ausreichen. Insgesamt war das Großprojekt zuletzt auf 365 Millionen Euro geschätzt worden. Diese Summe lässt sich absehbar ebenso wenig halten wie eine Eröffnung Ende 2025. Der Streit über die bereits aufgelaufenen Mehrkosten und über die weiteren finanziellen Folgen der Arbeitsniederlegung wird voraussichtlich vor Gericht geklärt werden müssen.

Mit dem eiligen Ausschreiben der restlichen Arbeiten im Tunnel will das Bauamt nach eigenen Angaben auch erreichen, dass "die unbedingt notwendige Wiederherstellung der früheren Bergwasserverhältnisse im Bergsturzbereich zeitnah erfolgen kann, um die Hangquellmoore wieder natürlich bewässern zu können". Dies geht auf einen inzwischen letztinstanzlich entschiedenen Rechtsstreit zwischen dem Bund Naturschutz und dem Freistaat wegen der Auswirkungen auf Fauna und Flora am Kramer zurück. Dort sind geschützte Feuchtbiotope ausgetrocknet, nachdem beim Bau des Erkundungsstollens Grundwasser ausgetreten war und dann der Grundwasserspiegel im Gebirgsstock mit großem Aufwand technisch abgesenkt worden war. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte schon vor einem Jahr ein Sanierungskonzept für die so entstandenen Umweltschäden verlangt.

Der Freistaat hat versucht, vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen die Entscheidung vorzugehen, was dieses nun aber abgewiesen hat. "Ein großer Erfolg für den Naturschutz in Bayern", kommentiert BN-Landesgeschäftsführer Peter Rottner den Beschluss der obersten Verwaltungsrichter. Der Vorsitzende der BN-Kreisgruppe Garmisch-Partenkirchen, Axel Doering, betont, die Grundwassersituation müsse so wiederhergestellt werden, dass die Hangquellmoore wieder Wasser bekommen. Dies alles sei vor Jahren vielleicht sogar vermeidbar, aber auf jeden Fall noch mit viel weniger Aufwand möglich gewesen als zum jetzigen Stand der Bauarbeiten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.6302256
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.