Rechtsstreit über Verkehrsprojekt:Gericht will Sanierungskonzept für Kramertunnel

Rechtsstreit über Verkehrsprojekt: Seit Jahren liefern sich der Bund Naturschutz (BN) und der Freistaat Bayern juristische Gefechte wegen des Garmischer Kramertunnels. Jetzt trafen sich die Kontrahenten erneut vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof: Die Naturschützer wollen erreichen, dass der Freistaat die Umweltschäden saniert, die beim Bau des Tunnels aufgetreten sind.

Seit Jahren liefern sich der Bund Naturschutz (BN) und der Freistaat Bayern juristische Gefechte wegen des Garmischer Kramertunnels. Jetzt trafen sich die Kontrahenten erneut vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof: Die Naturschützer wollen erreichen, dass der Freistaat die Umweltschäden saniert, die beim Bau des Tunnels aufgetreten sind.

(Foto: Stephan Jansen/dpa)

Der Bund Naturschutz und der Freistaat Bayern treffen sich zum wiederholten Mal wegen des Garmischer Tunnels vor dem Verwaltungsgerichtshof. Dieser lässt keinen Zweifel daran, dass die Behörden sich wegen der Umweltschäden dort etwas einfallen lassen müssen.

Von Matthias Köpf, Garmisch-Partenkirchen

Rein in der Sache hat der Bund Naturschutz offenkundig recht gehabt. Die Umweltschützer und ihre Gutachter hatten vor dem Wassereinbruch gewarnt, wenn der Freistaat den Umfahrungstunnel um Garmisch-Partenkirchen Richtung Fernpass auf genau dieser Trasse durch den Kramer treiben würde. 2009 verlor der BN eine Klage gegen die Planung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) - und 2013 mussten die Arbeiten am Erkundungsstollen abgebrochen werden, weil Wasser eindrang.

Doch der Freistaat ließ sich seine Planung von der Regierung von Oberbayern neu genehmigen, nun zusätzlich mit einem technisch aufwendigen Absenken des Grundwassers im Kramermassiv plus künstlicher Bewässerung der geschützten Hangquellmoore. Die Moore sind trotzdem teilweise ausgetrocknet, Quellen versiegt, die Schmale Windelschnecke schaut in die Röhre. Am Dienstag versuchte der BN, deswegen auch juristisch recht zu bekommen. Er und der Freistaat trafen sich ein weiteres Mal vor dem VGH, um klären zu lassen, ob diese Umweltschäden beseitigt werden und weitere verhindert werden müssen.

Denn die Arbeiten am längsten Straßentunnel des Landes wurden 2020 wieder aufgenommen, vor einem Jahr konnte das zuständige Straßenbauamt Weilheim den Durchbruch in der 3,6 Kilometer langen Hauptröhre melden, im April dann auch im Erkundungsstollen, der ab der geplanten Fertigstellung 2024 als Rettungstunnel dienen soll. Wer sich einmal selbst ein Bild von den Arbeiten gemacht hat, konnte im Tunnel all die Pumpen sehen und hören, die das Wasser aus dem Berg schaffen. Zusätzlich wurden tiefe Entwässerungsbrunnen von oben in den Fels getrieben.

Was durch diese Maßnahmen am Kramer genau geschehen ist, welche Schäden wirklich entstanden sind und was davon überhaupt begrenzt oder je ausgeglichen werden kann, das muss dem Verwaltungsgerichtshof derzeit aber erklärtermaßen praktisch egal sein. Es könne nach dem maßgeblichen Umweltschadensgesetz nur darum gehen, ob der Freistaat einen Sanierungsplan erarbeiten müsse, aber nicht darum, wie dieser im Detail auszusehen habe.

Die Prozessvertreter des Freistaats verteidigten ohnehin vehement die Ansicht, dass das Gesetz gar nicht anwendbar sei, weil es einen gültigen Planänderungsbeschluss von 2017 gebe und das geforderte Sanierungskonzept in dessen Bestimmungen ja praktisch schon enthalten sei. Aus Sicht des BN wurden die Maßnahmen aus jenem Beschluss aber auch gar nicht angewandt, beispielsweise ein Injizieren von Beton in Felsklüfte, um sie abzudichten und das Wasser im Berg zu halten.

Das aber hätte nach Angaben eines für den Freistaat tätigen externen Planers kaum Erfolg versprochen und würde das auch jetzt nicht tun, weil das Gebirge auf 600 Metern Länge generell zu durchlässig sei. "Das ist ja kein Holundersaft, den man da in den Berg hineinpumpt", warnte der Ingenieur. Vielmehr müsse man da "die gesamte Palette der technischen Bauchemie anwenden". Für all diese Injektionen auch noch Löcher in die fertige Betonschale des Tunnel zu treiben, werde wohl mehr als 100 Millionen Euro kosten - ohne jede Gewissheit, dass sich dadurch überhaupt irgendein Erfolg einstellt. "Da geht es um eine gewaltige Menge Geld, dessen muss man sich bewusst sein", betonte der Anwalt des Freistaats.

Gegen die Genehmigung samt Grundwasserabsenkung von 2017 war der BN nicht mehr vor Gericht gezogen, weil er da angesichts seiner vorherigen Erfahrungen mit dem zuständigen Achten Senat des VGH keine Erfolgsaussichten gesehen hatte. So hatte dieser Senat eine BN-Forderung nach Anwendung des Umweltschadengesetzes 2015 schon einmal abgewiesen. Inzwischen gab es aber nicht nur ein anderslautendes Urteil auf europäischer Ebene in einer vergleichbaren Sache, sondern es haben sich auch die Zusammensetzung des Senats und dessen Rechtsauffassung geändert. Nach dem Beschluss des alten Senats hätten die Behörden beim Thema Umweltschadensausgleich praktisch "den Griffel fallen lassen", sagte die Vorsitzende des jetzigen Senats am Dienstag. "Wir können diese Entscheidung von 2015 nicht mittragen, und zwar in verschiedenen Punkten. Da sieht man auch mal, dass Gerichtsentscheidungen wirklich was anrichten können."

Seine eigene Entscheidung wird der Senat erst noch in aller Form verkünden. Dass er auf einem Sanierungskonzept bestehen wird, daran ließ er aber keinen Zweifel. Wie dieses Konzept inhaltlich aussehen wird, ist zunächst Aufgabe der zuständigen Behörden, vor allem des Straßenbauamts und der Regierung von Oberbayern. Der BN hat das Recht, als Naturschutzverband dabei angehört zu werden - und sich dann gegebenenfalls wieder an ein Gericht zu wenden. Am Kramertunnel, der Teil einer mehr als 1,3 Milliarden Euro teuren Tunnelkette im Loisachtal ist, wird ohnehin weitergebaut.

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