Süddeutsche Zeitung

Annegret Kramp-Karrenbauer:Ruhige Stunden bei der Schwesterpartei

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In Kloster Banz wird CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer von der CSU-Fraktion betont freundlich aufgenommen. Wenn auch ohne Euphorie.

Von Wolfgang Wittl, Bad Staffelstein

Zeit für einen lockeren Plausch gäbe es genug, doch der Austausch von Höflichkeiten zwischen CDU und CSU duldet in diesen Tagen keinerlei Aufschub. Für zehn Uhr ist Annegret Kramp-Karrenbauer bei der CSU-Landtagsfraktion angekündigt, eine Viertelstunde vorher trifft sie am Donnerstag in Kloster Banz ein. Fraktionschef Thomas Kreuzer und Ministerpräsident Markus Söder lassen bei ihrer Begrüßung nicht den geringsten Zweifel aufkommen, wie willkommen eine CDU-Chefin in Bayern sein kann. Drei Mal sagt Kreuzer in einer Minute, wie sehr man sich freue über den Klausurgast. Und Söder ergänzt wenig subtil: "Ich darf dir versprechen: Das wird für dich heute ein deutlich angenehmerer Termin als das letzte Mal, als eine CDU-Vorsitzende da war" - die damals Angela Merkel hieß.

Die Gute-Laune-Demonstration ist ohne Rückblende in der Tat kaum zu verstehen. Es war im Januar 2016, die Flüchtlingskrise entfaltete in der Fraktionsklausur ihre volle emotionale Sprengkraft. Draußen stand in der Winterlandschaft von Kreuth eine Blaskapelle, drinnen prasselten die Fragen wie Hagelkörner auf Merkel ein. Zwei Stunden und 40 Minuten saßen sich Kanzlerin und Kritiker gegenüber, ein Termin für Geschichtsbücher. 26 Wortmeldungen wurden notiert, alle voller Bitternis, Wut und Unverständnis über Merkels Politik. Länger als geplant harrte die Kanzlerin aus, schrieb seitenweise mit, beeindrucken ließ sie sich aber nicht. Fraktionschef Kreuzer schenkte ihr zum Abschied eine Bavaria aus Porzellan, garniert mit der doppelbödigen Botschaft, die Figur möge "Beistand" spenden und "Erleuchtung".

Am Donnerstag, gut dreieinhalb Jahre später, schmiegt sich die milde Spätsommersonne an die oberfränkischen Hügel. Söder gab seit Tagen die Wohlfühl-Losung aus, AKK solle sich auf eine gute Stimmung freuen dürfen. Auch die selbst ernannte Herzkammer, die sich stets näher am Puls bayerischer denn Berliner Befindlichkeiten wähnt, hat bemerkt, dass die CDU-Chefin harte Zeiten durchmacht. Der Fraktionsvorstand erhebt sich, als Kramp-Karrenbauer den Sitzungsraum betritt, die Abgeordneten klatschen im Sitzen. Ein höflicher, kein enthusiastischer Empfang.

Kramp-Karrenbauer legt gleich mächtig los. Sie witzelt, dass sich Kreuzers Stimme nach einer langen Nacht anhöre. Dann lobt sie Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, wie Teilnehmer berichten. Der Start könnte besser sein. Von Scheuers mäßiger Beliebtheit in der Fraktion weiß man nicht erst seit zwei Tagen, als er wieder mal für Defizite bei Mobilfunk und S-Bahnen gerüffelt wurde. Und Kreuzers Stimme bewegt sich seit jeher in tiefsten Bass-Frequenzen. Zwar kämpfen einige Abgeordnete wirklich mit den Nachwirkungen eines langen Grillabends. So mancher diagnostiziert aber auch bei der CDU-Chefin eine latente Müdigkeit. Ihr Vortrag? "Wenig mitreißend." Charisma? "Ausbaufähig."

Bei Merkel hatten sich die CSU-Leute nicht mit Wertungen in der B-Note aufgehalten. Der Abgeordnete Markus Blume sagte damals über die Flüchtlingspolitik, man könne doch nicht "das Prinzip Hoffnung zum Regierungsprinzip erheben". Florian Herrmann tadelte, sich wie Merkel auf europäische Lösungen zu verlassen, sei sicherheitspolitisch etwa so, als ob man "mit Tempo 180 in eine dichte Nebelwand rast". Und ein gewisser Markus Söder nannte Merkels Entscheidung, die Grenzen offen zu lassen, einen "Fehler und Rechtsbruch". Die Lage sei "aus dem Ruder gelaufen". Heute ist Söder Ministerpräsident und CSU-Chef, seine neu erblühte Liebe zur Schwesterpartei wird von seinem Generalsekretär Blume und Staatskanzleichef Herrmann uneingeschränkt geteilt.

Das vergangene Jahr sei "keine Sternstunde in der Geschichte von CDU und CSU gewesen, sagt Kramp-Karrenbauer, so einen "Stresstest" wolle man künftig vermeiden. Söder erinnert gar an "ungeklärte Fragen seit 2015" - "was fehlte, war innere Harmonie". Die sei jetzt wieder hergestellt. Söder spricht sehr offen darüber, welch Fehler der erbitterte Flüchtlingsstreit für die gesamte Union, besonders aber für die CSU gewesen sei. Seine Leute versichern, der Chef habe seine Lehren für immer gezogen. Inhaltliche Debatten ja, aber keine Verletzungen mehr. "Ohne Rückenwind aus Deutschland sind auch bayerische Höhenflüge nicht möglich", sagt Söder.

Gut eine Viertelstunde spricht Kramp-Karrenbauer vor der Fraktion, ähnlich lange wie einst Merkel. Danach beginnt die Fragerunde. Es geht viel um Bundeswehr, Klimaschutz in der Kombination mit Innovationen und wirtschaftlichen Anreizen, Mobilität und Landwirtschaft. Die SPD falle im Grunde aus, die FDP sei blockiert, die Grünen "eher selbstgefällig", wird Kramp-Karrenbauer zitiert. Die Abgeordneten entdecken viele Übereinstimmungen, auch deshalb sei der Auftritt "wirklich gut" gewesen, findet einer. Fraktionschef Kreuzer fühlt sich trotzdem bemüßigt, den Journalisten zu versichern, dass die CDU-Chefin "ganz viel Applaus" bekommen habe.

Natürlich wird Kramp-Karrenbauer in der Pressekonferenz auch die K-Frage gestellt. Dummerweise nicht nur nach der eigenen Ambition, sondern ob sie sich auch einen Kanzler Söder vorstellen könne. Das werde entschieden, wenn es so weit sei. "Das ist erkennbar nicht der Fall zurzeit", sagt Kramp-Karrenbauer. Söder lehnt wie immer dankend ab. "Wo mein Platz liegt, das wissen Sie ja - bei Ihnen", sagt er zu den Bayern im Raum. Weil es für die Kanzlerkandidatur in der Union aber die Zustimmung des CSU-Chefs braucht, ist Söder bei allen in der CDU gerade ziemlich beliebt, die sich Hoffnungen machen.

Wie Merkel bekommt auch Kramp-Karrenbauer eine Porzellanfigur, einen Löwen, ohne großen Worte. Einfach zur Erinnerung an ruhige Stunden bei der CSU.

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SZ vom 20.09.2019
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