Süddeutsche Zeitung

Aus der Landespolitik:Söder hat ein Berlin-Problem

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Wochenlang stänkerte der CSU-Vorsitzende gegen die "Chaosstadt", demnächst sitzt dort ein Unionskollege im Chefsessel. Und auf einmal gibt es Komplimente vom Ober-Bayern. Naja, fast.

Glosse von Thomas Balbierer

Markus Söder hat ein Berlin-Problem. Zuletzt hat Bayerns Ministerpräsident im Chor mit anderen CSU-Vorderen so leidenschaftlich auf die Hauptstadt eingeprügelt ("Chaosstadt", "failed state", "Wokeness und Cancel Culture regieren"), dass man als Nicht-Berliner das Gefühl bekommen konnte, die Stadt sei näher an Pjöngjang als an München. Schon klar, Anfang des Jahres tobte Wahlkampf und Söders Wortgeschosse zielten auf die amtierende rot-grün-rote Landesregierung, die oft keine gute Figur machte. Das Mobbing traf jedoch die ganze Stadt, etwa wenn Söder die Silvesterausschreitungen mit einem "typisch Berlin" kommentierte.

Der Schwesterpartei CDU hat das nicht geschadet, im Gegenteil: Statt der Sozialdemokratin Franziska Giffey sitzt demnächst der konservative Wahlsieger Kai Wegner im Roten Rathaus. Und darin liegt nun das Dilemma der CSU: Entweder gibt die Partei mit dem Berlin-Bashing ein bewährtes Stilmittel auf. Oder Söder pöbelt im Landtagswahlkampf weiter und riskiert Unions-Zoff mit der CDU.

Eine erste zaghafte Annäherung versuchte er vor einigen Tagen im Radio. Bei Antenne Bayern erzählte der CSU-Chef, dass er einmal gefragt worden sei, ob er an Berlin auch etwas gut finde. Damals sei ihm nichts eingefallen. Mittlerweile habe er eine Antwort: "Berliner Weiße mit Waldmeister. Das ist wirklich das Beste an Berlin." Reine Bösartigkeit, mal wieder. Aber wenigstens eine, die als Kompliment getarnt war. Der Berliner Tagesspiegel ließ das nicht gelten und schrieb an Söder: "Botschaft angekommen: Sie hassen Berlin."

Versöhnung aussichtslos? Vielleicht hilft eine Idee, mit der die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) für das sogenannte Deutschlandticket werben. Für 49 Euro im Monat soll man von Mai an bundesweit Bus und Bahn fahren - ohne Tarifgrenzen von Nord bis Süd. "Bayern gehört jetzt zu Berlin", sticheln deshalb die BVG auf Plakaten und lässt ihre gelbe Tram durchs Alpenvorland rollen.

Das ist natürlich Schmarrn. Aber dreht man die Sache um, könnte sogar Söder eine Berlin-Sympathie entwickeln. Wegen der Verteilung bayerischer Steuern nach Norden im Länderfinanzausgleich glaubt die CSU schon lange, dass ein Teil der Hauptstadt ihr gehöre. Warum den Laden nicht gleich ganz übernehmen? Eine Fusion spart Verwaltungskosten und leistet einen Beitrag zur Völkerverständigung. Nur über den Namen des Super-Bundeslandes müsste noch geredet werden: Baylin? Beryern?

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