Süddeutsche Zeitung

Pandemie:Vorläufiges Ende der gedruckten Corona-Grafik

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Warum die SZ die Corona-Daten vorerst nur noch online aufbereitet.

Von Hanno Charisius und Sören Müller-Hansen

Seit Beginn der Pandemie geht es oft um Daten, Kurven, Modellrechnungen. Die SZ hat schon früh begonnen, diese Zahlen zu erklären, einzuordnen, grafisch aufzubereiten, das Unfassbare doch irgendwie fassbar zu machen. Seit Ende Februar 2020 zeigt die SZ die aktuellen Fallzahlen und andere Pandemie-Indikatoren - erst unregelmäßig und ab dem 1. April 2020 täglich in allen Ausgaben gedruckt oder digital. Zuletzt erschien sie zweimal wöchentlich in der Zeitung und rund um die Uhr online.

In diesen drei Jahren hat sich vieles verändert. Vor allem in den ersten beiden Jahren hing der Alltag vieler Menschen davon ab, ob immer wieder wechselnde Zahlen über oder unter gesetzlich festgelegten Schwellenwerten lagen. Dabei hatten alle diese Daten Schwächen: Wie hoch die Inzidenz in einem Landkreis war, wurde nicht nur davon bestimmt, wie viele Menschen sich vor Ort infiziert hatten. Die Quote wurde auch maßgeblich von der Anzahl der in der Region durchgeführten Tests beeinflusst. Sowie von der Geschwindigkeit, mit der die Gesundheitsämter positive Ergebnisse - teilweise per Fax - an die zuständigen Stellen übermittelten.

Im ersten Pandemiewinter ging es nicht mehr nur darum, möglichst alle Infektionen zu vermeiden, im Vordergrund stand, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Die SZ zeigte nun auch Daten zu Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen, später auch zu Hospitalisierungen. Zwischenzeitlich hing es von dem 2021 neu eingeführten Wert der Hospitalisierungsinzidenz ab, wie stark die Einschränkungen in einem Bundesland ausgeprägt waren. Diese Grenzwerte wurden nach massiver Kritik von Expertinnen und Experten schnell wieder abgeschafft, zu offensichtlich waren die methodischen Schwächen bei der Berechnung einiger Parameter.

Die SZ hat ihre Corona-Grafik immer wieder an die veränderte Pandemielage, an neue Gesetze und an die sich verändernde Datenlage angepasst. Sie hat sich gemeinsam mit anderen Redaktionen gegenüber dem Robert-Koch-Institut und dem Bundesgesundheitsministerium für eine bessere Datenlage eingesetzt, mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über die Aussagekraft der Zahlen diskutiert. Und immer wieder eingeordnet, welche Zahlen noch wichtig sind, um die Entwicklung der Pandemie zu verstehen.

Nach drei Jahren mit dem Virus hat sich die Redaktion dafür entschieden, die Daten vorerst nur noch auf der Webseite unter www.sz.de/coronadaten zu zeigen - in einer abermals überarbeiteten Darstellung. Und sie auf die Werte zu reduzieren, die aktuell belast- und vergleichbar sind. In der gedruckten und digitalen Ausgabe der Zeitung wird es vorerst keine regelmäßig erscheinenden Corona-Grafiken mehr geben.

Die Meldezahlen bilden das Infektionsgeschehen schon lange nicht mehr vollständig ab. Noch immer fließen nur positive PCR-Testergebnisse in die Statistik ein. Experten gehen aber davon aus, dass immer weniger Infizierte diese Untersuchung in Anspruch nehmen. Ein Grund dafür ist, dass es deutlich schwieriger geworden ist, einen PCR-Test zu bekommen.

Von denjenigen, die sich untersuchen lassen, erhalten derzeit etwa zwanzig Prozent ein positives Ergebnis. Dabei hat die Weltgesundheitsorganisation einmal davon gesprochen, dass eine Positivrate von fünf Prozent erstrebenswert wäre, um die Dunkelziffer klein zu halten. Ist sie zu hoch, lässt sich kaum noch eine aussagekräftige Statistik erstellen. Denn die Menschen mit positivem Selbsttest werden nicht registriert.

Eine regelmäßige Stichproben-Prüfung gibt es nicht. Die Überwachung der Viren im Abwasser wird vor allem auf regionaler Ebene organisiert, die Daten sind daher nur bedingt aussagekräftig. Die Auslastung der Intensivstationen mit Covid-Patienten bleibt hingegen eine recht zuverlässige Maßzahl. Sie sinkt aktuell erfreulicherweise. Vor allem zeigt die Entwicklung aller Zahlen über einen längeren Zeitraum weiterhin die Dynamik einer Infektionslage, die sich zunehmend entspannt. Die Zahlen zum Coronavirus haben deshalb kaum noch einen Einfluss auf das alltägliche Leben der meisten Menschen.

Das bedeutet nicht, dass die SZ das Virus nun für harmlos hält. Covid-19 kann weiterhin zu schwerer Krankheit und mitunter zum Tod führen. Daran hat sich nichts geändert. Doch aktuell - am Übergang zur endemischen Phase in vielen Ländern, in der sich das Virus in seiner Bedeutung einreiht in die vielen anderen saisonalen Krankheitserreger - braucht es die regelmäßige Darstellung der Daten nicht mehr auf allen SZ-Kanälen. Sollte das Infektionsgeschehen wieder bedrohlicher werden, kehren die Grafiken auch wieder in die SZ - gedruckt wie digital - zurück.

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