Süddeutsche Zeitung

Konsole "Xbox One S All-Digital Edition":Das letzte Surren der Laufwerke

Lesezeit: 3 min

Von Caspar von Au

Unterhaltungsmedien auf physischen Trägern sind im 21. Jahrhundert eigentlich todgeweiht. Das Ende der CD wurde bereits vor elf Jahren eingeläutet. Mittlerweile kauft laut Bundesverband Musikindustrie nur noch rund jeder Dritte Deutsche ein Musikalbum als physische Silberscheibe. Seit 2013 sinkt auch der Verkauf von Video-DVDs kontinuierlich. Sie sind Opfer des Erfolgs von Streaminganbietern wie Netflix und Spotify. Nur unter Konsolen-Gamern haben Blu-Ray-Scheiben noch eine gewisse Bedeutung. Auch auch diese Ära könnte bald zu Ende gehen. Zumindest wenn es nach Microsoft geht.

Das Unternehmen hat am Dienstag seine erste Konsole ohne Laufwerk angekündigt: Das Gerät mit dem sperrigen Namen Xbox One S All-Digital Edition verzichtet auf das Laufwerk, in das man bisher Spiele schob.

Die Xbox One S All-Digital Edition könnte zu teuer sein

Das klingt wie eine kleine Revolution - wirft zugleich aber die Frage auf: Warum wartet Microsoft damit nicht bis zur nächsten Konsolen-Generation? Es ist damit zu rechnen, dass das Unternehmen zur Computerspielmesse E3 im Juni Details über den Nachfolger der Xbox One bekannt gibt. Der soll Ende 2020 auf den Markt kommen. Denn bis auf das fehlende Laufwerk bringt die All-Digital Edition keine Neuerungen mit sich. In der weißen Konsole stecken die gleichen Komponenten wie in einer Xbox One S.

Die Marktzahlen sprechen aber eher dagegen, dass Microsofts Gerät in Deutschland ein großer Erfolg wird. Laut "Game", dem Lobbyverband der Spieleindustrie, und Daten des Marktforschungsinstituts GfK kauften 2017 zwar acht von zehn PC-Spielern ihre Games als Download. Unter Konsolenspielern (Playstation, Switch, Xbox) sind physische Datenträger dagegen noch sehr beliebt. Gerade einmal 23 Prozent der Spiele wurden als digitaler Download erworben.

Microsoft gibt sich überzeugt, dass die Fans physischer Datenträger auf dem Rückzug sind. Man wolle mit dem Modell neue Kunden ansprechen: Digital Natives, die nicht mehr das Bedürfnis haben, ihre Spiele in ein Regal im Wohnzimmer einzusortieren. Die All-Digital Edition soll ein günstigeres Einsteigermodell darstellen. Mindestens 50 US-Dollar weniger als die Variante mit Laufwerk solle sie kosten, verspricht der zuständige Marketingchef Jeff Gattis.

Allerdings könnte es ein Problem für Microsoft geben: Die Konsole soll ab dem 7. Mai in Europa für 230 Euro erhältlich sein; ein Controller und die Spiele "Minecraft", "Sea of Thieves" und "Forza Horizon 3" inklusive. Aber schon jetzt bieten Einzelhändler Pakete mit einer Xbox One S (mit Laufwerk), zwei Controllern und mehreren Spielen für weniger als 200 Euro an. Außerdem kann das Gerät im Gegensatz zu der All-Digital Edition zusätzlich Blu-Rays oder gebraucht gekaufte Spiele abspielen. Damit die schlitzlose Variante interessant wird, müsste ihr Kaufpreis also wohl eher deutlich unter 150 Euro sinken.

Gibt es bald gar keine Konsolen mehr?

Dementsprechend enttäuscht reagierten viele auf die neue Konsole. "Zum Release der Xbox One hätte so was vielleicht Sinn gemacht. Jetzt sicher nicht mehr", schreibt Nutzer "mrem" unter einem entsprechenden Artikel des Tech-Portals Winfuture. Auf Reddit kürzte "grimsanarchist" den Namen der Xbox One S All-Digital so ab: sad (Englisch für traurig).

Stärker denn je beschäftigt die Branche derzeit die Frage: Wie sieht die Zukunft der Computerspiele aus? Denn das Netz und neue Technik könnten alles verändern. Bei Google, Chiphersteller Nvidia und einigen anderen Unternehmen glaubt man offenbar, dass Spiele - ähnlich wie bei Netflix oder Spotify - künftig gestreamt werden. Für Google Stadia und Nvidia Shield benötigen die Nutzer keine Konsole mehr oder einen teuren Gaming-PC; ein Office-Laptop und eine schnelle Breitbandverbindung reichen aus, um die neuesten Spiele in höchster Qualität zu zocken. Die Zukunft heißt diesen Unternehmen zufolge Cloud-Gaming.

Sony verrät Details über Playstation 5

Game-Verband-Geschäftsführer Felix Falk glaubt trotzdem nicht an das schnelle Ende der klassischen Konsolen: Die seien einfach zu bedienen und böten eine "Balance aus Innovation und gewöhnten Stärken". Bei Microsofts Hauptkonkurrent auf dem Konsolenmarkt, Sony, sieht man das offenbar ähnlich.

Wenige Stunden vor der Xbox-Präsentation gab Mark Cerny, bei Sony verantwortlich für das Playstation-System, in einem Wired-Artikel Details über die geplante Playstation 5 (PS5) preis: Die Konsole soll 8K-Grafik unterstützen sowie Raytracing - eine Technologie, die Lichteinfall und Spiegelungen noch realistischer simuliert. Dank der eingebauten SSD-Festplatte sollen Ladezeiten schrumpfen (zum Beispiel in "Spider-Man" von 15 auf 0,8 Sekunden). Ob die PS5 außerdem auf ein Laufwerk verzichtet, ist aber nicht bekannt. Allerdings sollen auf der Konsole auch PS4-Spiele laufen, was eher dafür spricht, dass auch das fünfte Modell ein Laufwerk haben wird.

Nun ist Microsoft unter Zugzwang, Anfang Juni einen noch besseren One-Nachfolger zu präsentieren. Die Xbox One S All-Digital Edition soll dabei helfen, das gibt Marketingchef Gattis offen zu. Mit der Konsole ohne Laufwerk will das Unternehmen herausfinden, was der Kunde vorzieht: Spiele aus dem digitalen Äther oder Handfestes aus dem Regal.

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