Süddeutsche Zeitung

Angriffe auf Bezahldienste:Abrüstung im Cyberkrieg

Die Boykottaktionen von Visa, Mastercard oder Paypal gegen Wikileaks wirken wie vorauseilender Gehorsam gegenüber der US-Regierung. Doch Cyberangriffe sind keine adäquate Reaktion.

Alexander Hagelüken

So einfach geht das in der schönen neuen Internet-Welt. Wie die Kreditkartenfirmen Visa und Mastercard hatte auch der Online-Bezahldienst Paypal Spenden an die Enthüller-Organisation Wikileaks eingefroren. Nun gibt Paypal die Blockade auf und leitet das Geld doch weiter. Proteste der Wikileaks-Freunde und Hackerangriffe gegen Visa und Co. sorgten für den Sinneswandel. Ist das ein Sieg für die Meinungsfreiheit? Nein.

Hackerangriffe sind kein zulässiges Instrument der Debatte. Firmen oder andere Organisationen dadurch zum Einlenken zu bewegen, ist Teil eines Muskelspiels, kein demokratisches Verhalten. Der Cyberkrieg kann einigen Schaden anrichten. Hacker könnten sich vielerlei Ziele ausdenken.

Was wäre beispielsweise, wenn Umweltschützer die Webseiten von Autokonzernen lahmlegen würden, weil sie gegen Autos sind? Dürfen Abtreibungsgegner die Homepage einer Schwangeren-Beratungsstelle knacken, weil ihnen deren Arbeit missfällt? Sicher nicht.

So fragwürdig wie die Hackerangriffe ist freilich auch das Verhalten der Finanzdienstleister, die Wikileaks die Konten sperrten. Kein Gericht hat die durchaus umstrittenen Aktivitäten der Daten-Detektive als illegal eingestuft, es handelt sich hier nicht um Terroristen oder Drogenhändler.

Deshalb wirken die Boykottaktionen von Visa oder Paypal gegen Wikileaks wie vorauseilender Gehorsam gegenüber der US-Regierung.

Ein ebenso peinliches wie durchsichtiges Verhalten, gegen das sich die Kunden der Firmen durchaus wehren dürfen. Aber eben nicht in Hackermanier. Im Meinungsstreit um Wikileaks ist jetzt Abrüstung angesagt, auf allen Seiten. Ein Cyberkrieg bringt niemanden weiter.

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Quelle:
SZ vom 24.11.2010
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