Süddeutsche Zeitung

Katar:Die neue Macht in der deutschen Wirtschaft

Lesezeit: 3 min

Porsche, VW, Deutsche Bank, jetzt RWE: Stück für Stück baut der Staatsfonds des Emirats Katar seine Anteile an großen Unternehmen aus und sichert sich so immer mehr Einfluss. Auf Dauer könnte das zu einem Problem werden.

Von Thomas Fromm

Eines fällt auf, wenn die Katarer Milliarden in die Hand nehmen, um ihren Einfluss in der deutschen Wirtschaft auszubauen: Das Gespür für das richtige Unternehmen, und zwar im richtigen Moment. Denn die Araber verteilen ihr Geld zwar immer großzügig. Aber nie zufällig.

Zum Beispiel an diesem Wochenende. Da gab der Essener Energieversorger RWE die Übernahme des US-Solaranlagenentwicklers und -betreibers Con Edison Clean Energy Businesses bekannt. Sieben Milliarden Euro, das ist der Preis, den RWE für den Ausbau seines Geschäfts mit erneuerbaren Energien zahlen muss. Und an dieser Stelle kommt der Staatsfonds des Emirats ins Spiel, dem die strategische Weichenstellung der Deutschen offenbar gut gefällt: Bei der Finanzierung bekommt der Essener Konzern nun Hilfe der Qatar Holding, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft von Qatar Investment Authority, dem Staatfonds des arabischen Emirats. Die Investoren zeichnen eine 2,43 Milliarden Euro schwere Pflichtwandelanleihe, können mit gut neun Prozent bei RWE einsteigen und sich so zum mit Abstand größten Aktionär des Essener Energieriesen aufschwingen. Geld gegen Aktien und Einfluss.

Aktien, Flüssiggas und Milliarden

Der Zeitpunkt für den Einstieg bei RWE war vermutlich nicht nur deshalb gut gewählt, weil die Manager aus Nordrhein-Westfalen für ihren Milliardendeal einen Brückenkredit brauchten. Seitdem Russland die Ukraine überfallen hat und zusätzlich noch einen Energiekrieg gegen Europa führt, geben sich die Vertreter europäischer Länder in den Golfstaaten ohnehin die Klinke in die Hand. Vor einer Woche war Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim Emir von Katar. Thema: Die Lieferung von flüssigem Erdgas nach Deutschland. "Es gibt Gespräche zwischen Katar und der deutschen Seite, die wir vertiefen wollen", sagte Emir Tamim bin Hamad Al Thani nach dem Treffen mit Scholz.

Katar gehört mit Russland und Iran zu den Ländern mit den größten Erdgasreserven und ist bei Flüssiggasexporten zusammen mit Ländern wie den USA und Australien weltweit führend. So gesehen hat Katar gerade vieles von dem, was Deutschland gut gebrauchen kann: vor allem Energie und Geld, und beides wird hierzulande gerne genommen.

Deutschlands Industrie ohne die Investoren aus der Wüste? Schwer vorstellbar inzwischen. RWE, Volkswagen, Deutsche Bank, Siemens, die Hamburger Reederei Hapag-Llyod - die Liste der großen Konzerne, in die Katar investiert hat, ist lang. Gleichzeitig verkauft Deutschland nicht nur Aktienanteile an seinen Großkonzernen, sondern auch Autos, Maschinen, Rüstungsgüter und chemische Produkte in die Wüste - die Handelsbeziehungen werden seit Jahren immer enger und dürften nach dem Krieg in der Ukraine noch enger werden. Die Frage ist, ob dies auf Dauer nicht neue Abhängigkeiten schafft. Vor allem dann, wenn Katar in den kommenden Jahren, die wirtschaftlich schwierig werden dürften, noch weitere Milliarden in Deutschland anlegt und seine Macht immer mehr ausbaut.

Denn es gibt nicht nur die Seite des Geldes, der Wandelanleihen, Aktienanteile und Gaslieferungen, da ist auch noch eine andere Seite. Dass - zum Beispiel - französische Städte wie Paris, Marseille und Bordeaux jetzt einen Public-Viewing-Boykott gegen die Fußball-Weltmeisterspiele in Katar zwischen Ende November und Dezember verhängt haben, liegt nicht etwa daran, dass die Franzosen keine Lust mehr auf Fußballspiele hätten. Grund für die Ablehnung der Live-Übertragungen auf öffentlichen Plätzen: die Lebens- und Arbeitsbedingungen im Land, Tausende Gastarbeiter sollen seit der WM-Vergabe in Katar gestorben sein. Dazu werfen Nachbarländer dem WM-Gastgeberland unter anderem vor, islamistische Terrorgruppen zu unterstützen, was das Emirat zurückweist.

Eines der Hauptzentren für das Geld aus der Wüste: das VW-Imperium

Hier die Politik, da die Wirtschaft - und ein Investor, der anscheinend immer schon da zu sein scheint, wenn man ihn braucht. Beim Börsengang der VW-Sportwagentochter Porsche war der katarische Staatsfonds zeitig zur Stelle und sicherte sich an die fünf Prozent der Anteile - mit VW und der Holding Porsche SE dürften die Investoren damit unter den größten Anteilseignern sein. Großaktionär bei einem Luxusauto-Konstrukteur aus Zuffenhausen zu werden, das passt vermutlich zu einem Wüstenstaat, der durch seine Ölressourcen unfassbare Geldreserven angesammelt hat.

Dabei ist Porsche hier auch nur ein Mosaikstein, wenngleich ein teurer: Heute hat das Land über seine Qatar Holding 17 Prozent der Stimmrechte am Volkswagen-Konzern - mehr haben nur das Land Niedersachsen und die Gründerfamilien Porsche und Piëch. Und schon im Sommer 2009 war Katar zur Stelle, als nach der gescheiterten Beherrschung von Volkswagen durch Porsche dringend Hilfe gesucht wurde. Das Emirat half damals mit seinem Geld aus, dafür bekamen die arabischen Investoren ein üppiges Aktienpaket zugeschoben. Das verschlungene VW-Reich der Porsches und Piëchs ist heute längst zu einem der wichtigsten Investment-Zentren des Emirats geworden und ein sicherer Hinweis darauf, wo die Katarer bevorzugt ihre Milliarden anlegen: in Deutschland.

Aber längst nicht nur da. Aktienbeteiligungen halten die Katarer auch woanders, zum Beispiel beim in der Schweiz gemeldeten Rohstoffkonzern Glencore oder bei dem spanischen Energieversorger Iberdrola, bei dem französischen Fußballklub Paris St.-Germain, dem Londoner Luxuskaufhaus Harrods und Banken wie Barclays oder Credit Suisse. Zig Milliarden, quer über Europa verteilt - so funktioniert derzeit die Investmentstrategie des Emirats.

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