Süddeutsche Zeitung

Sheryl Sandberg:Die Frau, die Facebook groß machte

Lesezeit: 4 min

Nach 14 Jahren verlässt Sheryl Sandberg den Facebook-Konzern Meta. Sie galt lange als rechte Hand von Gründer Mark Zuckerberg - und als eine besondere, aber auch umstrittene Managerin.

Von Jannis Brühl und Helmut Martin-Jung

Wenn US-amerikanische Gründer ihr Start-up richtig groß machen wollen, aber mehr Ahnung von technischen Details ihrer App als vom Business haben, dann rufen einige von ihnen die Parole aus: "eine Sheryl finden". Eine Sheryl, das ist eine wie Sheryl Sandberg, Facebooks Chief Operating Officer, also die Frau für alles, was das Tagesgeschäft mit sich bringt.

Sie ist die Frau, die Facebook groß gemacht hat, die Mark Zuckerberg half, zum Social-Media-Oligarchen zu werden, zum misstrauisch beäugten Herren über die größten Kommunikationsplattformen der Welt. Nun wechselt sie nach 14 Jahren in den Aufsichtsrat, wie sie in einem Beitrag auf ihrem Facebook-Profil verkündete. Wobei der Konzern mittlerweile Meta heißt, und in jenem Metaversum, das Konzernchef Mark Zuckerberg nun bauen will, ist kein Platz mehr für die 52-Jährige, auch wenn sie eine der bekanntesten US-Managerinnen ist und bei Facebook dank ihrer Aktienpakete zur Milliardärin wurde.

Wer ist Sheryl Sandberg? Sie lernt Zuckerberg auf einer Weihnachtsparty kennen. Sandberg ist damals 38, hat Wirtschaft unter anderem in Harvard studiert, war Stabschefin im US-Finanzministerium und arbeitete bei McKinsey. Als sie den Gründer trifft, ist sie bereits eine erfolgreiche Managerin in Googles Werbegeschäft, leitet bei dem Suchmaschinenkonzern ein Team von mehreren hundert Mitarbeitern. Und da kommt dieser 23-Jährige und redet auf sie ein. Sie lässt Zuckerberg gewähren, eine Stunde lang. Und sie verabreden weitere Treffen. Sandberg war damals ohnehin auf dem Absprung von Google, hatte ein Angebot von der Washington Post. Nach mehreren Treffen in ihrem Haus in dem kleinen Ort Atherton, nahe bei Menlo Park, wo Facebook später sein Hauptquartier errichten wird, steht ihr Entschluss fest. Sie sagt der Zeitung ab, auch weil ihr Mann Dave Goldberg ihr zuredet, und steigt im März 2008 ein beim Start-up Facebook.

Die Erwachsene im Raum

Sie übernimmt dort eine ähnliche Rolle wie Eric Schmidt bei Google, der die Gründer Larry Page und Sergej Brin als CEO unterstützte. Auch Sandbergs Job ist: Sie ist die Erwachsene im Raum. Sie erledigt die Aufgaben, die Zuckerberg nicht erledigen kann oder will. Leute einstellen oder feuern und natürlich: das Anzeigengeschäft. Es wird zum Herzstück der Geldmaschine Facebook. Mit Sandberg als operativer Chefin wird das aufstrebende Start-up zum Konzern, dessen Apps kaum ein Mensch auf der Welt entrinnen kann. So viele Nutzer, so viele Augen, denen man Werbung vorsetzen kann. "Sie ist da viel besser als ich", sagt Zuckerberg 2011.

Während es ihm nicht immer gelingt, bei öffentlichen Auftritten seinem Image als unwirscher Eroberer mit der Empathiefähigkeit eines Roboters etwas entgegenzusetzen, tritt die Tochter eines Arztes und einer Lehrerin verbindlich auf, aber auch ziemlich glatt. Alle Vorwürfe gegen Facebook - und davon gab es ja nicht gerade wenige in den vergangenen Jahren - gleiten zumindest in der Öffentlichkeit an ihr ab, als besitze sie eine unsichtbare Außenhülle. Das gilt auch für ihren Abschieds-Beitrag, in dem sie "Mark" als einen der "besten Freunde, die man jemals haben kann" bezeichnet. Intern sah das offensichtlich anders aus.

Den Abgang Sandbergs nennt ihr Chef zu Recht "das Ende einer Ära". In der neuen Ära gibt es wohl niemanden mehr mit so viel Freiraum wie Sandberg ihn hatte. Ihr Nachfolger, Javier Olivan, soll Zuckerberg zufolge eine "eher traditionelle COO-Rolle" übernehmen. Was bedeutet: Nicht zu viel Unabhängigkeit.

Volle Kontrolle für "Zuck"

Mit Sandbergs Abschied wird der Umbau von Meta auf Führungsebene weitgehend abgeschlossen, und er bedeutet: Volle Kontrolle für "Zuck". Zuckerberg hatte sich immer auf die Produkte und Apps selbst konzentriert, aber Anzeigengeschäft, Lobbying und Außendarstellung Sandberg überlassen. Nun konzentriert er die Macht bei seinen direkten Untergebenen, eine Parallelwelt wie die von Sandberg soll es nicht mehr geben, alles läuft auf ihn zu. In seinem Facebook- Beitrag, in dem er Sandberg dankt, verkündet Zuckerberg nun, dass mehrere ihrer hochrangigen Untergebenen von nun an ihm unterstehen. Ihr Reich existiert nicht mehr. Zuckerberg setzt ohnehin immer stärker auf das Metaversum, eine Welt aus vielen virtuellen Realitäten, die immer online ist, und von der noch niemand so recht weiß, wie sie aussieht.

Die Aufräumarbeiten nach den Skandalen, die das Image des Konzerns seit 2016 ramponierten, fielen in Sandbergs Zuständigkeitsbereich. Doch auch den nahm ihr Zuckerberg bereits vergangenes Jahr. Nick Clegg, der zuvor Sandberg unterstanden hatte, übernahm die Aufgaben Lobbying und Kommunikation. Zuckerberg hievte den ehemaligen britischen Vize-Premier in der Hierarchie auf Augenhöhe mit Sandberg. Zuckerberg soll Sandberg dem Wall Street Journal zufolge auch für den Skandal um die Firma Cambridge Analytica verantwortlich gemacht haben, die Unmengen an Nutzerdaten abgegriffen hatte. Am Ende war sie nur noch für die Unternehmen zuständig, die Facebook für den Kundenkontakt nutzen. Dass Sandberg nicht mehr ewig bei Meta bleiben würde, galt daher schon einige Zeit als ausgemacht.

Sie hatte ohnehin viel mehr Zeit dort verbracht als ursprünglich geplant. Fünf Jahre, so war ihr eigentlicher Plan, dann wollte sie woanders hingehen. Es sind 14 geworden, mit vielen Höhen und Tiefen. Der Tiefpunkt war der Tod ihres Mannes Dave Goldberg, der mit 47 bei einem gemeinsamen Urlaub im Fitnessraum eines Hotels zusammenbrach und starb. Goldberg, selbst erfolgreicher Unternehmer, galt als "Herz und Seele des Silicon Valley". Sandberg verarbeitet den Schock in dem Buch "Option B", einer Anleitung zum Trauern.

Buchautorin und Frauenrechtlerin

Als Autorin war sie schon davor hervorgetreten mit "Lean in", einem Buch, in dem sie sich für Gleichberechtigung am Arbeitsplatz eingesetzt hatte. Das Buch wurde allerdings auch heftig kritisiert, etwa dafür, dass es die These vertrat, die Situation für Frauen werde sich dann bessern, wenn erst einmal genug davon in Führungspositionen seien. Andere bemängelten, es gehe in dem Buch vor allem um Frauen, die Karriere machten, nicht aber um die vielen benachteiligten Frauen, die gar nicht die Chance dazu bekämen.

Das Thema beschäftigt Sandberg weiter, es soll sogar ein Anstoß gewesen sein, den Job bei Meta aufzugeben. Sie wolle sich nun mehr ihrer Stiftung widmen, sagt sie über ihre Pläne, werde sich vor allem weiter für Frauenrechte einsetzen, sagte sie dem Magazin Fortune, auch wegen der drohenden Verschärfung des Abtreibungsrechts. Und Mark Zuckerberg? Ist offensichtlich der Meinung, dass er sich für weiteres Wachstum seines Konzerns keine Sheryl mehr suchen muss.

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