Süddeutsche Zeitung

Ämter:Kein digitaler Zugang mehr mit Elster

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Für digitale Behördengänge soll man sich nicht mehr mit Elster ausweisen können - das will der Bund. Doch die Alternative, den elektronischen Personalausweis, nutzen bisher nur wenige.

Von Kassian Stroh, Berlin

Einen Staat, der "mit einer unkomplizierten, schnellen und digitalen Verwaltung das Leben der Menschen einfacher macht" - nicht weniger wünschen sich SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag. Doch noch immer gehen diese Menschen viel öfter real aufs Amt als digital auf dessen Internetportal. Ihnen wolle das nun ausgerechnet die Ampelkoalition noch komplizierter machen, kritisiert die bayerische Staatsregierung. Sie streitet mit Berlin über die Nutzung der Elster-Zertifikate, die man auch für Steuererklärungen braucht.

Will zum Beispiel eine Studentin die neue 200-Euro-Energiepreispauschale des Bundes beantragen, muss sie ein Nutzerkonto erstellen und sich dafür identifizieren, damit das Amt auch weiß, dass sich die richtige Person hinter dem Konto verbirgt. Dafür gibt es - wie bei vielen anderen digitalen Behördengängen auch - mehrere Möglichkeiten, die beiden wichtigsten sind der elektronische Personalausweis und das Elster-Zertifikat. Den zweiten Weg will der Bund nun verbauen: Die entsprechende Übergangsregelung läuft Ende Juni aus, eine Verlängerung ist nicht geplant. Elster-Zertifikate wird es demnach zwar weiter geben, für die Steuererklärung werden sie auch künftig gebraucht. Bei der Zertifizierung für digitale Behördengänge aber können sie dann nur noch Firmen verwenden, nicht mehr Privatpersonen.

Das will Bayern verhindern und hat beantragt, die Übergangsregelung zu verlängern; kommenden Freitag debattiert darüber der Bundesrat. "Dass die Bundesregierung diese Technologie jetzt ohne Not und sinnvolle Alternative abschalten will, ist für uns nicht hinnehmbar", sagt die bayerische Digitalministerin Judith Gerlach. Elster habe sich bewährt und sei weitverbreitet. Nach Gerlachs Angaben gibt es in ganz Deutschland 19 Millionen Elster-Zertifikate - und eine Million davon würden auch für andere Angelegenheiten als die Steuer genutzt.

Nur jeder zehnte Ausweis wird auch tatsächlich für digitale Behördengänge genutzt

Das Bundesinnenministerium hingegen setzt voll auf den elektronischen Personalausweis und will das auch im neuen Onlinezugangsgesetz festschreiben, über das in der Regierung gerade debattiert wird. Man wolle digitale Behördengänge erleichtern, und dafür brauche es ein "einheitliches und nutzerfreundliches Identifizierungsmittel", das höchste Sicherheitsanforderungen erfülle, sagt eine Ministeriumssprecherin. Tatsächlich gilt der elektronische Personalausweis als noch sicherer als Elster. Das Problem ist nur: Auch gut zwölf Jahre nach seiner Einführung wird er kaum genutzt.

Jeder seitdem ausgegebene Ausweis wäre dafür prinzipiell geeignet. Entsprechend genutzt wird aber nur etwa jeder zehnte, wie die im Oktober veröffentlichte Umfrage "E-Government Monitor" ergeben hat. Neben grundsätzlicher Skepsis sind die Hauptgründe dafür: Die Befragten wissen nicht, wozu der elektronische Personalausweis dient und wie er funktioniert, und sie halten die Anwendung für zu kompliziert. Das galt vor allem für die Anfangszeit, als man sich dafür meist ein eigenes Lesegerät kaufen musste. Inzwischen können die meisten Handys über die sogenannte NFC-Technik den Chip im Ausweis auslesen. Was man aber immer noch braucht: eine Pin zum Freischalten, die man dann noch ändern muss, und eine spezielle App im Handy.

Wegen dieser "umständlichen Handhabung" sei der elektronische Personalausweis kaum akzeptiert, so die Klage aus München. Deshalb solle man doch die viel weiter verbreitete Elster-Technik weiter nutzen, zumindest für drei Jahre. Auf Dauer, das räumt die bayerische Regierung ein, sei es aber richtig, nur auf den elektronischen Ausweis zu setzen.

Hinter ihrem Einsatz für Elster steckt vermutlich auch ein bisschen Patriotismus, denn entwickelt wurde die Technik vor einem Vierteljahrhundert maßgeblich von den bayerischen Steuerbehörden. Dahinter steckt aber noch ein grundlegenderes Problem: Für digitale Behördengänge gibt es kein einheitliches Verfahren oder zentrales Portal, stattdessen einen über viele Jahre gewachsenen Wildwuchs an Angeboten von Kommunen, Ländern und Bund. Die Bundesregierung würde gerne ihre 2019 freigeschaltete Bund-ID zum deutschlandweit einheitlichen Nutzerkonto machen. Vor einem Monat verkündete das Innenministerium freudig, dass sechs Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen, unter das Dach der Bund-ID schlüpfen und ihre landeseigenen Nutzerkonten nicht weiterentwickeln. Andere Länder, darunter auch Bayern, warten ab oder überlegen noch.

Auch die Bund-ID dümpelte lange ziemlich vor sich hin, in den vergangenen Wochen jedoch sind die Anmeldezahlen förmlich explodiert. Mutmaßlich weil Studenten nur auf diesem Weg an ihre Energiepreispauschale kommen. Ende Januar zählte die Regierung noch gut 250 000 Nutzerkonten, seitdem sind etwa 1,6 Millionen hinzugekommen. Die Quote derer, die sich dabei mit dem elektronischen Personalausweis ausgewiesen haben, lag laut Innenministerium allerdings nur bei gut einem Viertel.

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