Süddeutsche Zeitung

Steuerskandal:Schweiz liefert Mr.Cum-Ex nach Deutschland aus

Lesezeit: 2 min

Zäsur im Steuerskandal: Der Frankfurter Steueranwalt Hanno Berger, der als einer der Hauptdrahtzieher bei Aktiendeals zu Lasten des Fiskus gilt, kommt in Deutschland vor Gericht.

Von Jan Diesteldorf, Klaus Ott und Nils Wischmeyer

Gegen den Frankfurter Steueranwalt Hanno Berger liegen im Cum-Ex-Steuerskandal zwei dicke Anklagen, ein Auslieferungsantrag und zwei Haftbefehle vor. Der trickreiche Jurist gilt unter Staatsanwälten und Steuerfahndern als "Spiritus Rector", sprich als Initiator vieler Aktiendeals zu Lasten der Staatskasse. Jetzt kommt der Anwalt, der sich im November 2012 in die Schweiz abgesetzt hat, in Deutschland vor Gericht.

Das Bundesgericht in der Schweiz hat nach Informationen von Süddeutscher Zeitung und WDR einer Auslieferung von Berger zugestimmt. Das Bundesgericht ist die letzte und abschließende Instanz bei solchen Verfahren in der Schweiz. Dort sitzt Berger bereits seit siebeneinhalb Monaten in Auslieferungshaft. Jetzt kann sich der 71-Jährige nicht länger gegen seine Überstellung nach Deutschland wehren.

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt teilte auf Anfrage mit, sie habe vom Bundesamt für Justiz in der Schweiz mitgeteilt bekommen, dass die Auslieferung bewilligt worden sei. Das Justizministerium Nordrhein-Westfalen bestätigte dies. Im Cum-Ex-Skandal ist das eine Zäsur. Wegen Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen soll Berger zuerst beim Landgericht Wiesbaden auf die Anklagebank kommen, später auch beim Landgericht Bonn. Er soll zusammen mit zahlreichen Geschäftspartnern den Fiskus getäuscht und Steuern in Höhe von insgesamt 392 Millionen Euro hinterzogen haben. Ganz genau 391 893 343 Euro und 96 Cent. Er muss nach Ansicht von Ermittlern mit einer langen Haftstrafe rechnen. Bei laufenden Verfahren gilt aber die Unschuldsvermutung.

Berger selbst weist alle Vorwürfe zurück. Der Frankfurter Steueranwalt, der früher in Hessen selbst beim Fiskus gearbeitet hatte, führt seit Jahren einen regelrechten Feldzug gegen die deutsche Justiz. Berger ist mit Dienstaufsichtsbeschwerden und Eingaben bei Gerichten gegen seine Strafverfolger vorgegangen. Bei seinem Auslieferungsverfahren in der Schweiz hatte er behauptet, der in Deutschland gegen ihn erhobene Vorwurf der strafbaren Steuerhinterziehung sei "politisch motiviert". Verschiedene hochrangige Mitglieder der Exekutive, also Regierungsmitglieder, würden im Schulterschluss mit den Medien eine Hetzjagd auf die angeblichen "Steuerräuber" und ihn im Besonderen veranstalten.

Der Bundesgerichtshof hat inzwischen aber in einem anderen Verfahren klargestellt, dass gezielte Cum-Ex-Deals zu Lasten der Staatskasse strafbar sind. Banken und Börsenhändler haben mit Hilfe von trickreich agierenden Juristen den deutschen Fiskus um schätzungsweise mehr als zehn Milliarden Euro erleichtert. Mit einem einfachen und zugleich schwer durchschaubaren Trick: Die Banken und deren Helfer ließen sich über viele Jahre hinweg beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende eine einmal gezahlte Steuer auf die Dividendenerlöse mehrmals erstatten.

In Deutschland wird inzwischen gegen mehr als 1000 Beschuldigte ermittelt. Zahlreiche namhafte Banken aus dem In- und Ausland sind in den Skandal verwickelt. Das Landgericht hat gegen zwei frühere Manager der Hamburger Privatbank Warburg bereits Haftstrafen verhängt.

Das Bundesstrafgericht hatte alle Einwände Bergers zurückgewiesen

In einer vorhergegangenen Entscheidung in der Schweiz hatte das dortige Bundesstrafgericht Ende 2021 bereits erklärt, allein der Umstand, dass in Deutschland die gegen Berger und weitere Personen erhobenen Vorwürfe und die "allfälligen Verantwortlichkeiten auf der administrativen sowie politischen Führungsebene in Politik und Medien kontrovers diskutiert" würden, begründe nicht per se eine politische Motivation der Strafverfolgung.

Angesichts der Sachlage bestünden "keine Gründe für die Annahme, dass das Strafverfahren gegen ihn aus politischen Gründen eingeleitet worden wäre", schrieb das Bundesstrafgericht. Die Beschwerde Bergers erweise sich daher "auch in diesem Punkt als unbegründet". Das Bundesstrafgericht hatte alle Einwände Bergers zurückgewiesen. Jetzt bestätigte das Bundesgericht als letzte Instanz diese Entscheidung.

In die Schweiz hatte sich Hanno Berger Ende 2012 abgesetzt, als Ermittler die Büros seiner damaligen Frankfurter Steuerkanzlei durchsuchten. Mit seinem neuen Wohnsitz im Engadin konnte er sich jahrelang der deutschen Justiz entziehen. Vor gut sieben Monaten hatte dann aber das Bundesamt für Justiz in Bern auf Ersuchen deutscher Behörden einen Auslieferungshaftbefehl gegen Berger erlassen. Seither sitzt Hanno Berger in der Justizvollzugsanstalt Cazis Tignez in der Schweiz ein. Jetzt soll er bald nach Deutschland überstellt werden. "Wir erwarten ihn stündlich", heißt es aus deutschen Behördenkreisen.

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