Süddeutsche Zeitung

Credit Suisse:Kahlschlag am Bankenplatz Zürich

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Nach der Notübernahme der Credit Suisse durch die UBS folgt nun der Stellenabbau: 35 000 Jobs sollen wegfallen. Einige Banker sind schon gegangen - zu einem Geldhaus in Frankfurt.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Gerade mal zwei Wochen ist es her, dass die traditionsreiche Credit Suisse endgültig Geschichte ist, getilgt vom Kurszettel der Schweizer Börse - 167 Jahre nach der Gründung und wenige Wochen nach dem kläglichen Absturz im Frühjahr dieses Jahres. Nachdem in einer wachsenden Vertrauenskrise immer mehr Kundengelder abgeflossen waren, musste der Rivale UBS die kleinere Credit Suisse übernehmen - es ging darum, eine weltweite Finanzkrise zu verhindern.

Nun wird klar, welche Folgen die hektische Übernahme auch für die Belegschaft haben wird, denn die UBS bereitet laut der Nachrichtenagentur Bloomberg massive Stellenstreichungen bei der Credit Suisse vor. Vom nächsten Monat an dürfte mehr als jeder zweite der rund 45 000 Mitarbeiter des ehemaligen Lokalrivalen seinen Arbeitsplatz verlieren. Vom Stellenabbau werden der Agentur zufolge besonders Banker, Händler und Assistenzpersonal bei der Investmentbank der Credit Suisse in London, New York und einigen Teilen Asiens betroffen sein. Aber auch in der Schweiz - vor allem Zürich - könnten laut Schweizer Medien mittelfristig wohl rund 12 000 Arbeitsplätze wegfallen.

Die UBS hatte von Anfang an signalisiert, dass sie vor allem die verlustbringende Investmentbank der Credit Suisse drastisch verkleinern will. Das Geldhaus hatte sich in dieser Sparte in den vergangenen Jahren zahlreiche Skandale geleistet, noch dazu hat das Geschäft kaum Gewinn abgeworfen. Die Mitarbeiter hatten dennoch viele Milliarden an Boni kassiert. Nun aber sei kein Bereich vor Kürzungen sicher, heißt es. Mitarbeitern wurde mitgeteilt, dass sie bis zum Jahresende mit drei Kündigungswellen zu rechnen hätten. Die erste dürfte Ende Juli kommen, berichten informierte Kreise. Weitere Einschnitte werde es voraussichtlich im September und im Oktober geben.

Die Deutsche Bank umwirbt Banker von der Credit Suisse

Die UBS hat bereits angekündigt, die Personalkosten in den kommenden Jahren um rund sechs Milliarden Dollar zu senken. Durch die Übernahme der Credit Suisse war die Belegschaft zuletzt auf rund 120 000 gewachsen - ein Bankenriese, gemessen an der Größe der Schweiz, weswegen das Geldhaus um den Stellenabbau wohl nicht herumkommt. Zum Vergleich: Die Deutsche Bank beschäftigt 84 000 Mitarbeiter.

Immerhin: Die Integration der Credit Suisse in die UBS verlaufe "sehr gut", sagte UBS-Konzernchef Sergio Ermotti diese Woche. Er sei froh, "dass wir die Situation bei der Credit Suisse stabilisieren konnten". Erste Entscheidungen seien bereits umgesetzt, die neue Geschäftsleitung und die Führungsebene darunter festgelegt. Bis Ende des Sommers wolle die UBS weitere Fortschritte bekanntgeben.

Ohnehin aber ist der Arbeitsmarkt für Banker gerade so schwierig wie lange nicht seit der Finanzkrise. Allen voran im Investmentbanking an der Wall Street sind zuletzt Tausende Stellen weggefallen. Während Corona hatten viele Banken zunächst massiv neue Mitarbeiter eingestellt, weil nicht nur das Handelsgeschäft brummte, sondern auch zahlreiche Unternehmen zu Übernahmen und Börsengängen ansetzten und Beratung brauchten. Zuletzt aber lahmte das Geschäft weltweit, weswegen Goldman Sachs, Citigoup, Morgan Stanley und die Bank of America nun Mitarbeiter entlassen. Mittlerweile summieren sich die angekündigten Stellenstreichungen in den USA auf 12 000.

In eine andere Richtung marschiert derzeit wohl nur die Deutsche Bank. Eigentlich wollte sich das größte deutsche Geldhaus auf stabile Geschäftsfelder wie das brave Firmenkundengeschäft konzentrieren, zuletzt aber investierten die Frankfurter wieder spürbar in das Investmentbanking, vor allem in die Beratung bei Fusionen und Übernahmen. Dazu übernahm die Deutsche Bank vor wenigen Wochen nicht nur einen Börsenmakler in London für rund 464 Millionen Euro, sondern stellt derzeit auch dutzende Investmentbanker ein, vor allem in Asien und vor allem von der Credit Suisse. Dahinter steht wohl die Hoffnung, dass das Investmentbanking im dritten oder vierten Quartal wieder anzieht. Andernfalls könnte es teuer werden für die Deutsche Bank, die bereits das flaue Handelsgeschäft zu spüren bekommt. Auch wenn Bankkreise die Schätzung des Branchendienstes Efinancialcareers von zusätzlichen Kosten von mehr als 100 Millionen Dollar als zu hoch zurückweisen: Die Neueinstellungen dürften dann ordentlich ins Geld gehen.

"New Yorker Investmentbanker mit spitzen Ellbogen"

Teuer könnte es nun allerdings auch für frühere Führungskräfte der Credit Suisse werden, die sich mit einer Sammelklage von Anleihegläubigern in New York konfrontiert sehen. Im Zuge der Notübernahme hatten die Anleihegläubiger einen Totalverlust von 16 Milliarden Euro hinnehmen müssen. Wie diese Woche bekannt wurde, werfen die Kläger ihnen vor, bei der Credit Suisse ihre treuhänderischen Verantwortlichkeiten verletzt zu haben. Sie hätten eine Kultur geschaffen, die Profiten und Boni den Vorrang vor solider Geschäftsführung gegeben habe. Die Credit Suisse möge ursprünglich einmal ein konservatives Schweizer Finanzinstitut gewesen sein, die meisten Verantwortlichen für dessen Untergang seien aber "New Yorker Investmentbanker mit spitzen Ellbogen" gewesen. "Der Anfang vom Ende für die Credit Suisse liegt in New York", zitiert die Schweizer Zeitung NZZ aus der Anklageschrift.

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