Süddeutsche Zeitung

Fachkräftemangel:Ihr Bewerberlein, kommet

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Weil Fachkräfte weiterhin rar sind, müssen Unternehmen sich etwas einfallen lassen, um auf sich aufmerksam zu machen. Reichen Punsch und Waffeln, um Interessenten anzulocken?

Von Tobias Bug

Zur Weihnachtszeit gehen Wünsche in Erfüllung, auch die großen, die man sich das ganze Jahr aufgehoben hat. Auf den Wunschzetteln der Unternehmen in Deutschland stehen Informatikerinnen, Altenpfleger, Maschinenbauerinnen, Lagerkräfte und viele mehr. Motivierte Fachkräfte wachsen nun mal nicht wie die Nadeln am Tannenbaum, deshalb klagen schon mehr als die Hälfte der hiesigen Firmen über Personalengpässe. Viele Firmen drückt der Stiefel, doch nun hatten einige Personaler eine Erleuchtung: Bewerber-Weihnachtsmärkte. Die Wirtschaftsprüfer und Berater von KPMG etwa laden dieses Jahr zu Events nach Berlin und Köln, auf denen man sich laut Einladung "in winterlicher Atmosphäre" über den Berufseinstieg informieren kann.

Daimler Truck, der weltgrößte Hersteller von Lkws und Bussen, muss seine schweren Gefährte elektrifizieren - und sucht dafür frische Köpfe: 33 neue Ingenieure, Softwareentwickler und IT-Sicherheitsleute sollen Anfang des neuen Jahres ein Traineeship starten, dafür gab es 1700 Bewerbungen, und weil die Zeit drängt, hat der Konzern 100 von ihnen Anfang Dezember zu zwei Bewerbertagen aufs Firmengelände in Leinfelden bei Stuttgart eingeladen. "Damit die Bewerber sich wohlfühlen und kein Stress aufkommt, haben wir ein Stück weit eine weihnachtliche Atmosphäre geschaffen", sagt Ariane Beckert, Recruiterin bei Daimler Truck.

Bei Punsch und Waffeln konnten Bewerber mit ihren potenziell neuen Kollegen ins Gespräch kommen, sich vor Holzhütten über Jobs informieren und, wenn man so will, in Fahrgeschäfte steigen: etwa in den neuen Elektro-Lkw eActros 300. Recruiting-Tage seien einfach effizienter als Vorstellungsgespräche, sagt Beckert. Allerdings haben strukturierte Interviews laut einer Studie das bessere Kosten-Nutzen-Verhältnis. Daimler Truck will nicht sagen, wie viel das Event gekostet hat. Man gibt eben den Preis der Weihnachtsgeschenke nicht preis: 28 der 33 ausgeschriebenen Stellen sind schon besetzt.

Die Firma Weiss beansprucht die Idee für sich

Nicht jede Firma ist so bekannt wie Daimler oder KPMG, kleinere Firmen müssen mit Waffel- und Glühweinduft überhaupt auf sich aufmerksam machen. Glaubt man Susanne Wiesjahn, Recruiterin bei der Automatisierungsfirma Weiss, hatte ihr Personalteam die Idee für Bewerber-Weihnachtsmärkte. Weil Weiss kaum Bewerbungen auf viele offene Stellen bekommen hatte, durfte Wiesjahn in der Adventszeit 2022 rund 5000 Euro ausgeben für Glühwein und Waffeln, für Holzhütten und Lichterketten: auf dem ersten Weiss-Bewerber-Weihnachtsmarkt. Ihr Team schickte Flyer-Einladungen an 20 000 Haushalte. "Das hätte auch übelst in die Hose gehen können", sagt Wiesjahn, der Zulauf sei dann aber "gigantisch" gewesen. Fast 200 Interessierte kamen aufs Firmengelände im beschaulichen Buchen östlich von Heidelberg, wo Weiss-Mitarbeiter mit gelben Weihnachtsmützen alle ihre Fragen beantworteten. Man beschnupperte sich: Passt der Job zum Bewerber - und umgekehrt? 15 Matches gab es: also neue Zerspaner, Mechatronikerinnen und Kaufmänner für Weiss.

Recruiter anderer Firmen hätten sich in Buchen abgeschaut, wie man Bewerber anlockt, sagt Wiesjahn. Personalklamme Krankenhäuser der Region veranstalteten später Frühlings- und Herbstmärkte für Bewerber. Je größer das Personalloch, desto abwechslungsreicher wird das Angebot für die Bewerber.

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